Zur Weihnacht
 „Unsere Feinde sind nicht die, die uns hassen, es sind vielmehr die, die wir aus eigenem Unverstand und Verblendung Feinde nennen. Christus kannte keine Feinde. Alle um Ihn herum waren Menschen, denen durch das herrschaftliche und lebensschaffende Wort Gottes das Leben geschenkt wurde, alle Menschen waren Seine Brüder und Schwestern, waren die von Gott geliebten Kinder, die sich verirrt hatten und die zu suchen Er gekommen war." - aus einer Weihnachtspredigt von Metropolit Antonij von Sourozh
Статья

 

1974

Im Seinem Evangelium sprach Christus über das, was für einen Menschen das Größte ist, was ihn wirklich zu etwas Großem macht. Er gab uns das Gebot der Liebe. Niemand hat mehr Liebe in sich, als der, der sein Leben hingibt für seine Freunde. Und in dieser geheimnisvollen Nacht, der Weihnacht, erfüllte unser Herr und Gott Selbst durch Seine Menschwerdung dieses Gebot des Triumpfes des Lebens und der Liebe.

Wir werden in ein vergängliches, irdisches Leben hinein geboren, herausgerufen aus dem Nichts durch das herrschaftliche und alles erschaffende Wort des Lebendigen Gottes. Und dann werden wir, wenn wir dieses unser Sein in der Vergänglichkeit durchschreiten, zu Teilhabern an der Ewigkeit und gehen ein in das ewige Leben. Unser Herr und Gott jedoch verlässt durch Seine Menschwerdung die  Fülle des Seins und begibt sich aus der überschwänglichen Herrlichkeit des Lebens in die Sphäre des Todes, aus der unendlichen Weite des ungeschaffenen Seins lässt Er sich ein auf ein Leben in den engen Grenzen der gefallenen Welt, auf ein Leben, das dem in einer Gefängniszelle gleicht. Selbst aus der Ewigkeit stammend wird Er in der Enge der Zeit geboren, um in dieser beschränkten, kleinen Welt, die sich weit losgerissen hat von Gott, zu leben, um uns so ein Beispiel zu sein, wie man jeden Tag neu sein Leben für seine Freunde hingeben kann. Und Er stirbt, um uns zu zeigen, dass auch im Tod das Leben den Sieg davon trägt.

Eine alte griechische Ikone zeigt uns die Krippe von Bethlehem nicht so, wie wir es gewohnt sind, als die Wiege eines Säuglings, als ein Bild, was uns zärtlich anrührt. Diese Ikone zeigt die Krippe als einen aus Steinen errichteten Opfertisch, auf dem ein Kind liegt, welches sterben soll. Nicht zufällig sterben, ohne Sinn und Zweck, sondern als Opfer sterben, welches Seine Bedeutung hat, welches in Freiheit Gott dargebracht wird, um der Vergebung der Sünden willen, um den Tod zu besiegen, damit Himmel und Erde wieder eins werden und sich die gefallene Schöpfung mit dem Lebendigen und liebenden Gott versöhnt.

Heute wird der ewige Gott in der Zeit geboren. Der Körperlose lässt sich in einen Leib zwängen. Der, für den es keinen Tod gibt, zieht ein in die Sphäre des Todes. Heute beginnt der Weg unseres Herrn zum Kreuz, heute offenbart sich uns die sich bis ans Kreuz opfernde Liebe Gottes. Heute weist uns die Krippe von Bethlehem auf jene Höhle, in die unser Herr Jesus Christus gelegt werden wird, nachdem man Ihn nach einem qualvollen Tod vom Kreuz genommen hat. Der gesamte Lebensweg unseres Herrn ist nichts anderes, als die Erfüllung des Gebots der Liebe, einer Liebe, die grenzenlos ist, einer Liebe, die ihr Leben hingibt für ihre Freunde.

Jedoch nur für ihre Freunde? Wer waren die Freunde unseres Herrn, als Er geboren wurde? Wer gab Seiner hochschwangeren Mutter und ihrem Begleiter Joseph einen Platz für die Nacht? Vertrieben aus der Siedlung  der Menschen fanden sie eine Herberge nur zwischen den Tieren. Und so setzte es sich fort, das ganze Leben lang bis alles vollbracht war, als das Volk Israel, ja die Menschheit überhaupt, Ihn aus der Stadt ausstößt und Ihn einen einsamen Tod auf dem Hügel von Golgatha sterben lässt. Der Weg, den der Herr um Seiner „Freunde" willen begonnen hat, ist ein Weg der Liebe. Doch für welche Freunde? Unsere Feinde sind nicht die, die uns hassen, es sind vielmehr die, die wir aus eigenem Unverstand und Verblendung Feinde nennen. Christus kannte keine Feinde. Alle um Ihn herum waren Menschen, denen durch das herrschaftliche und lebensschaffende Wort Gottes das Leben geschenkt wurde, alle Menschen waren Seine Brüder und Schwestern, waren die von Gott geliebten Kinder, die sich verirrt hatten und die zu suchen Er gekommen war.

Er Selbst hat uns ein Beispiel gegeben, als Er sagte, dass ein guter Hirte neunundneunzig Schafe ohne Aufsicht lässt, um das eine verirrte Schaf zu finden. So sind für Christus auch alle jene Menschen, die sich Feinde Christi nennen, Brüder und Schwestern, Kinder des Lebendigen Gottes, Dessen Sohn Er ist. Er kennt keine Feinde, für Ihn gibt es sie nicht und deshalb wurde Er auch für alle Mensch und gibt all Seine körperlichen und seelischen Kräfte hin. Und so stirbt Er auch nach jener schrecklichen Woche, die wir heute Karwoche nennen. Er stirbt nach der grauenvollen Nacht im Garten von Gethsemane, nach all den Verspottungen und Beschimpfungen. Er stirbt, nachdem Er von den Menschen an seiner Seite verraten worden und von allen verlassen war, am Kreuz für uns alle. Wenn wir zu Christus gehören, dann sollten wir heute in dieser feierlichen Nacht diesen Christusweg lernen. Heute können wir durch Reue und Busse d.h. durch ein Umdenken mit dem Herzen anfangen, diesen Weg Christi zu beschreiten. Wir können mit neuen Augen um uns schauen und voller Staunen erkennen, dass wir keine Feinde haben, dass es überall nur Gottes Kinder gibt, die sich verirrt haben, zu denen uns der Herr schickt, damit wir unter ihnen leben und, wenn es sein muss, auch sterben, damit sie zum Leben in der Ewigkeit finden.

Das ist es, was uns das Leben und der Tod Christi lehren, was uns die Weihnacht, d.h. die Geburt des Lebendigen Gottes in einem menschlichen Leib verkünden will. Die Weihnacht ist ein großes Mysterium! Es scheint, dass wir unseren Gott sehen und Ihn voller Ehrfurcht und Zärtlichkeit in unseren Armen halten können. Doch in Seiner Menschwerdung offenbart sich unser Gott auf noch viel  geheimnisvollere Weise. Er ist nicht nur der Gott des Himmels, der dem menschlichen Verstand unzugänglich bleibt. Er offenbart sich dem menschlichen Herzen, welches nach Ihm ruft.  In diesem Jesuskind verbirgt sich einerseits die ganze Fülle des unsichtbaren und unerfassbaren Gottes. Indem wir das Kind, das in Bethlehem geboren wurde, jedoch berühren, dann begreifen wir jedoch andererseits voller Entsetzen, dass dies der Lebendige Gott ist, Der ein lebendiger Mensch geworden ist für uns, Der jedem von uns zeigt, wie Gott jeden von uns liebt, den letzten Sünder ebenso wie den Gerechten, den Heiligen. Diese Liebe ist das Leben und der Tod des Gottessohnes, der Menschensohn geworden ist.

Sollten wir nun nicht etwa jedem, der uns begegnet, der an unserer Seite ist, mit einer ebensolchen Liebe begegnen? Können wir etwa im Angesicht der Menschwerdung Christi den Menschen anders begegnen, als der Herr es Selbst tat? Er gibt uns ein neues Gebot. Es ist neu nicht nur in dem Sinne, dass Er uns dazu einlädt zu lieben. Er bittet uns, unsere Freunde ebenso zu lieben wie unsere Feinde, er lädt uns ein, alle zu lieben, und dabei unser Leben hinzugeben für unsere Freunde und auch die unsere Freunde zu nennen, die uns selbst nicht als ihre Freunde bezeichnen. Er bittet uns, für sie zu leben Tag ein Tag aus und, wenn es sein muss, auch für sie zu sterben, mit dem letzten Gebet auf den Lippen: Herr verzeih ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.

Amen        

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