Sonntag der Heiligen Väter (Mt. 1,1-25)
„Auch mit ihnen war Gott, ja, Er war wirklich auch mit ihnen, denn Gott überlässt keinen einzigen Sünder sich selbst. Ihn erschreckt keinerlei Unrecht. Er erscheint uns nur dann als fern, wenn wir selbst Ihn wegen unserer eigenen eiskalten Gleichgültigkeit nicht kennen wollen. Aber auch dann überlässt Er uns nicht uns selbst. Er bleibt uns gleichsam nahe, wenn auch voller Kummer und vom  Kreuz her auf uns blickend." - aus einer Predigt zum Sonntag der Väter von Metropolit Antonij von Sourozh
Статья

6. Januar 1974

Im Vorfeld der Weihnacht, wenn wir voller Erwartung der Menschwerdung des Gottessohnes entgegenschauen, erinnert uns die Kirche in sehr anrührender und einsichtiger Weise an all jene, die ihr Leben, ihren Leib dafür hingaben, dass der Heiland geboren werden konnte.

Heute begehen wir das Fest der Vorfahren Christi. Jeder von uns trägt in sich, in seinem Leib, in seiner Seele die gesamte Geschichte der Menschheit. Christus, der die menschliche Natur angenommen hatte, erschien nicht als ein ganz neuer Mensch, den Gott ja auch neu erschaffen hätte können. Christus nahm die menschliche Natur an von einer Menschheit, die bereits eine vieltausendjährige, vielleicht sogar vielmillionenjährige Geschichte hinter sich hatte. In Seinem Leib, in Seiner menschlichen Natur lebten all jene, die irgendwann vor Ihm einmal auf der Erde gelebt hatten.

Ebenso lebt auch in unserem Körper und in unserer Seele die gesamte vergangene Menschheit. Christus vereinigte sich mit der Menschheit. Dabei erwählte Er in ihr nicht nur die sogenannten Gerechten oder Heilige, d.h. all jene, die würdig gewesen wären für eine Begegnung mit Gott, welche selbst  so wunderbar ist und jegliche menschliche Phantasie übersteigt, dass man sie mit keinerlei Worten auszudrücken vermag: In Ihm lebt die gesamte Menschheit, sowohl die Gerechten als auch die Sünder.

In der Reihe der Namen, die wir heute gehört haben und unter denen wir einige als Heilige verehren, gibt es einige, von denen das Alte Testament als Sünder spricht. Alle jedoch waren Menschen, die sich durch die Sünde hindurchgerungen haben, die sich mit menschlicher Schwäche, dunklen Gedanken und fleischlicher Erregung herumgeschlagen haben, die sich durch das Toben der Geschichte und ihres Alltag hindurch durchgeschlagen haben zu Gott, die auf der Suche waren nach dem Licht, nach der Wahrheit, die nach Heiligkeit strebten, auch wenn ihnen oft die Kräfte dazu nicht ausreichten um ihren Traum zu verwirklichen.

Auch mit ihnen war Gott, ja, Er war wirklich auch mit ihnen, denn Gott überlässt keinen einzigen Sünder sich selbst. Ihn erschreckt keinerlei Unrecht. Er erscheint uns nur dann als fern, wenn wir selbst Ihn wegen unserer eigenen eiskalten Gleichgültigkeit nicht kennen wollen. Aber auch dann überlässt Er uns nicht uns selbst. Er bleibt uns gleichsam nahe, wenn auch voller Kummer und vom  Kreuz her auf uns blickend.

Wenn wir nun heute der gesamten vergangenen Menschheit gedenken, all diese Menschen, die durch die Jahrtausende hindurch den Leib und die menschliche Natur Christi gewebt haben, dann lasst uns ihrer voller Ehrfurcht und Dankbarkeit gedenken. Lasst uns an all unsere Vorfahren denken, an die, die wir kennen und an die, die wir vergessen haben, an die, derer sich das Herz freut und auch an die, wegen derer unser Stolz Scham empfindet. Lasst uns aller gedenken!

Durch seine menschliche Heiligkeit hat Christus alle gerechtfertigt, die Seines Leibes und Seines Blutes sind. Und jeder von uns ist durch tatkräftiges Leben dazu berufen, mit Schöpferkraft und Ringen, durch Siege und Niederlagen hindurch, auf dem Wege zur völligen Selbsthingabe zu Gott, auf dem Wege zur Heiligkeit nicht nur für sich selbst das Heil zu erlangen und somit sein zeitliches Verweilen auf der Erde zu rechtfertigen, sondern ebenso auch dem gesamten Leben der Jahrtausende, die in unserem Leib und unserer Seele lebendig sind, einen Sinn zu geben.

Jeder, der sich bis zur Heiligkeit hindurchschlägt, jeder, der zum Gefäß des Heiligen Geistes wird, der sich wirklich so mit Christus vereinigt, dass er eine Zelle Seines Allerreinsten und Allerheiligsten Leibes wird, jeder, der zu einem Kind Gottes wird, führt all jene zum Heil, rechtfertigt, verherrlicht und gibt dem Leben und dem Schicksal aller jener einen Sinn, deren Erbe er in seinem Menschsein ist.

Lasst uns deshalb gedanklich eindringen in diese Aufzählung der Generationen der Vorfahren Christi. Lasst uns ihre Namen anschauen. Alle sie waren lebendige Menschen, Menschen aus Fleisch und Blut, die Ehrfurcht vor dem Leben hatten, die zum Teil geplagt waren, zum Teil jedoch auch voller Freude triumpfierten. Alle sie haben Anteil und leben weiter in dem Wunder der Menschlichkeit Christi ebenso wie an Seiner menschlichen Natur.

Auch in uns lebt die Vergangenheit weiter. Christus hat die gesamte Vergangenheit Seiner Vorfahren so geheiligt, dass alle ohne Ausnahme heute Kinder Gottes sind, zu Gott gehören im wahrsten Sinne dieses Wortes. Auch wir können durch unser Leben, durch unser Mühen und Ringen, durch unser Streben zu Gott hin, durch unsere Sehnsucht nach Ihm, durch unsere Entschlossenheit für Ihn, durch jeden Sieg, den wir Ihn in uns erringen lassen, der gesamten Vergangenheit unseres Geschlechts einen Sinn geben und es rechtfertigen, es Gott als Gabe darbringen. Indem wir selbst zu Gottes Kinder werden, lassen wir auch all unsere Vorfahren zu Kinder Gottes werden, obwohl der eine oder andere von ihnen Gott vielleicht gar nicht gekannt hat oder Ihn, wenn auch gekannt, durch Sünde und Untreue im Herzen und im Leben von sich gestoßen hat.

Wie wunderbar ist all dies! Wie kann all dies uns eine neue Lust zum Leben verleihen! Wir leben nicht für uns selbst, nicht einmal nur für unsere Mitmenschen oder für unsere Liebsten. Ja, selbst nicht einmal für unsere Feinde. Wir leben für die gesamte Menschheit und dahinter steht gleichsam das Schicksal des gesamten Kosmos. Gott sei ewig Dank, dass Er so an uns glaubt und uns ein solch großes und wunderbares Schicksal anvertraut.

Amen               

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