Predigt zum Fest der Begegnung (Mariä Lichtmess)
„Lasst uns, jeder von uns, darüber nachsinnen, was es bedeutet, dass wir alle einmal in die Kirche gebracht und mit mütterlicher Liebe Gott übergeben wurden, um behütet zu sein von Dem, Der der Herr und das Leben ist. Lasst uns darüber nachdenken, ob wir bereit sind, Christus von Angesicht zu Angesicht zu begegnen, so wie Simeon und Anna. Lasst uns verstehen, wer wir sind!“ ... aus der Predigt zum Fest der Begegnung (Mariä Lichtmess) von Metropolit Antonij von Suroz
Статья

Von einer wunderbaren Begegnung, die gleichzeitig ein erstes Abschiednehmen ist ...  

15. 2. 1976

Das Fest, welches wir heute feiern, berichtet uns  von einer wunderbaren Begegnung und gleichzeitig von einem ersten Abschiednehmen. Von einer wunderbaren Begegnung, weil in den Tempel, in das Haus des Lebendigen Gottes, Dessen Eingeborener Sohn, geboren von einer Jungfrau, hineingetragen wurde, um dem Ewigen Gott, Dem, Der Sein Vater von Ewigkeit, vor aller Schöpfung her ist, dargebracht zu werden.

Ebenfalls begegnen zwei reine Seelen ihrem Heiland, den sie seit langem ersehnten. Ein langes, entbehrungsreiches, aber gesegnetes Leben haben die greisen Simeon und Anne hinter sich. Dem einen wie der anderen war es verheissen, dass sie nicht sterben würden, ohne von Angesicht zu Angesicht ihren Heiland zu erblicken.  Und dieser Tag war nun gekommen und die beiden frommen Alten begegneten ihrem Gott, der Mensch geworden war und auf Den sie so lange gewartet hatten, von Angesicht zu Angesicht. „Nun lässt Du ziehen, oh Herr, Deinen Knecht in Frieden, wie Du gesagt hast - waren die Worte Simeons, - denn meine Augen haben Dein Heil gesehen ..." Jetzt kann dieser sich aufmachen in die Ewigkeit, eingehen in die Welt der Entschlafenen, um ihnen als Erster verkünden, dass er Gott auf Erden gesehen hat, im Fleische erschienen. 

Gleichzeitig ist dieses Fest aber auch ein erstes schmerzhaftes Abschiednehmen der Gottesmutter von ihrem göttlichen Sohn. Jeder männliche Erstgeborene in einer Familie wurde Gott dargebracht und war damit Gottes Eigentum. Dieser Brauch, diese Vorschrift  stammte aus alter Zeit, aus der Zeit, als Moses das Volk Israel aus Ägypten geführt hatte. Damals wollte der trotzige Pharao seine Sklaven nicht ziehen lassen und Ägypten wurde daraufhin durch die strafende und heilbrigende Hand des Himmels von schrecklichen Plagen, eine nach der anderen, heimgesucht, um die Menschen zur Vernunft zu bringen. Einer der grausamsten Plagen, die der sich gegen Gott sträubenden Pharao auf sich zog, war der Tod aller Erstgeborenen in Ägypten. Erst durch ein solches Grauen wurde das steinernde Herz des Pharao erschüttert, nur für diesen Preis erhielten die Söhne und Töchter Israels zur Erwartung Christi die Freiheit.

Und als sie die Wüste erreicht hatten, gelangte zu ihnen die Weisung  Gottes: Für einen furchtbaren  Preis, für den Preis toter Kinder, für den Preis weinener Mütter, die  ihre liebsten Kinder hergeben mussten, hat Gott euch aus Ägypten geführt, aus dem Land der Gefangenschaft und Sklaverei. Zum Gedächtnis daran und als eine Art Lösegeld für diese Kinder und Mütter soll jedes erstgeborene Kind männlichen Geschlechts aus  euren Familien im Tempel dargebracht werden und Gott erhält über es die Macht über sein Leben und seinen Tod. So hat auch die Gottesmutter ihren Erstgeborenen, der männlichen Geschlechts war, indem sie Ihn im Tempel dargebrachte, Gott zum Opfer übergeben. Zum ersten Mal hat sie in Freiheit, dem Gesetz ihres Volkes folgend, Gott Den dargebracht, Den sie Geboren hatte. Dieses Opfern setzte sich dann fort im Verlaufe ihres gesamten Lebens: Die Mutter Gottes übergab Ihren Sohn ein für alle mal. Und Gott, der Vater nahm dieses Opfer, dieses einmalige Opfer in der gesamten Geschichte der Menschheit entgegen, welches so das blutige Opfer von Golgatha wurde.

Wir haben heute in der Evangeliumslesung auch über eine andere Begegnung gelesen, darüber wie der Zöllner und der Pharisäer in den Tempel kamen, in jenen Tempel, wo der Lebendige Gott Seine Söhne und Töchter erwartet. Einer kam voller Selbstherrlichkeit, der andere mit  demütigem Herzen. Auch das sind Begegnungen. In ihnen geht es nicht um ein Opfer, sondern um Verdammnis oder Heil.

 

Jeder von uns wurde einst, am Tag seiner Aufnahme in die Kirche, in ein Gotteshaus geführt. Jeder von uns wurde vor Gott gestellt, um Sein Eigentum zu werden. In der Christlichen Kirche gibt es kein „männlich oder weiblich", da ist kein Unterschied mehr. Wir alle sind Gottes Kinder und deshalb wurden wir alle Gott dargebracht, Gott übergeben, wie das göttliche Jesuskind durch seine Mutter.

Jede Mutter, die hier anwesend ist, hat irgendwann einmal ihr kleines Kindlein Gott dargebracht und Ihm übergeben, um es darauf von der Ikone des Heilands oder der Gottesmutter neu in Empfang zu nehmen. Jeder von uns begegnet Gott wieder und wieder, immer zumindest, wenn er eine Kirche betritt. Wer von uns gleicht dann dem Zöllner und wer dem Pharisäer? Wer kehrt gerechtfertigt in sein Haus zurück, wer in seiner faulen Tugendhaftigkeit, für die es keinen Raum gibt im Reich Gottes? Simeon und Anna ersehnten Christus  und haben Ihn erblickt. Der Zöllner kam in Erwartung  eigener Verdammung, doch ihm wurde die Barmherzigkeit Gottes zu Teil. Der Pharisäer dachte von sich, ein Gerechter zu sein, doch er ging mit Nichts.

Seht, womit wir uns nun aufmachen sollen auf den Weg durch die Wochen der Vorfastenzeit hin zu den Großen Fasten. Lasst uns, jeder von uns, darüber nachsinnen, was es bedeutet, dass wir alle einmal in die Kirche gebracht und mit mütterlicher Liebe Gott übergeben wurden, um behütet zu sein von Dem, Der der Herr und das Leben ist. Lasst uns darüber nachdenken, ob wir bereit sind, Christus von Angesicht zu Angesicht zu begegnen, so wie Simeon und Anna. Lasst uns verstehen, wer wir sind! Eher Pharisäer oder doch eher der grechtfertigte Zöllner?

Amen

http://www.metropolit-anthony.orc.ru/inname/in_34.htm

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