Russland: Orthodoxe Militärseelsorge macht Fortschritte
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Die Bedeutung der Militärseelsorge im heutigen Russland hat der Leiter der Abteilung des Moskauer Patriarchats für die Zusammenarbeit mit den Streitkräften, Erzpriester Dimitri Smirnow, unterstrichen. Wörtlich sagte Smirnow am Mittwochabend bei einem Vortrag im Wiener "Jakob-Kern-Haus": "Viele junge Leute, die wenig über die Religion wissen, kommen bei der Armee erstmals mit der Kirche in Berührung." Nicht wenige würden während ihrer Dienstzeit getauft. Für viele Rekruten, die von ihren Müttern allein aufgezogen wurden, gebe es durch die Militärseelsorge auch die erste positive Begegnung mit einer Vaterfigur.

Das Ziel der russischen Militärseelsorge sei es, die moralisch-geistige Verfassung der Soldaten und ihrer Offiziere nachhaltig zu verbessern, so Smirnow. Die Präsenz der Geistlichen in der Armee werde von den Offizieren überaus geschätzt; die meisten heutigen Offiziere seien ja erst in die Armee eingetreten, als der kommunistische Staatsatheismus bereits gefallen war.

Grundlage der Militärseelsorge in Russland ist eine 1992 zwischen dem Moskauer Patriarchat und dem Verteidigungsministerium geschlossene Vereinbarung, berichtete Erzpriester Smirnow. 1997 wurde die seit nunmehr zehn Jahren von Smirnow geleitete Patriarchatsabteilung für die Zusammenarbeit mit den Streitkräften eingerichtet. Vor zwei Jahren wurde die Militärseelsorge bei Armee und Polizei institutionalisiert; die Anstellung von 25 orthodoxen Militärkaplänen und einem islamischen wurde vereinbart. Die Hauptlast der Seelsorge werde aber von rund 2.000 Gemeindepfarrern getragen, die sich ehrenamtlich um die Soldaten und Offiziere in den Militäreinrichtungen auf ihrem Territorium kümmern.

In 200 Garnisonen und Stützpunkten gebe es jetzt wieder Kirchen, in jeder militärischen Einrichtung sei eine Kapelle vorhanden, berichtete Smirnow. Auch bei Manövern gebe es eigene Gottesdienstzelte, die als Kirchen, Moscheen oder Synagogen dienen.


Gutes Verhältnis zu Imamen

Smirnow, der öfter an Tagungen von Militärseelsorgern der NATO-Staaten teilgenommen hat, räumte ein, dass die russische Militärseelsorge noch nicht so "strukturiert und organisiert" sei wie die Militärseelsorge in westlichen Ländern. Aber die Seelsorger würden systematisch vorbereitet, Antworten auf die Fragen der jungen Soldaten zu geben und ihnen geistliche Erfahrungen zu vermitteln. Die Militärseelsorge in Russland habe die Zerstörung durch das kommunistische Regime überlebt, aber es werde noch dauern bis zu einer "kompletten Wiederherstellung".

Freilich sollte man im Westen nicht übersehen, dass es im russischen Volk durch die "70-jährige babylonische Gefangenschaft während des Kommunismus" heute eine viel tiefere Religiosität gebe. Ein Signal sei etwa, dass das Durchschnittsalter der Geistlichen in den russischen Eparchien (Diözesen) 35 Jahre beträgt.

Ausdrücklich betonte Smirnow das gute Verhältnis zwischen orthodoxen und islamischen Geistlichen, die sich um Armeeangehörige kümmern. Smirnow: "Wir haben eine lange gemeinsame Geschichte." Zu den Seminaren und Schulungen der orthodoxen Militärseelsorge kämen immer auch Imame. Freilich sei vor 1917 das Bild der russischen Militärseelsorge bunter gewesen, als es auch katholische, evangelische und jüdische Militärgeistliche gab.


Weit verbreitete Selbstmorde

Smirnow nahm in der Diskussion auch zu den "Problemzonen" Stellung. Was die Selbstmorde angeht, hoffe man, dieses in allen Armeen der Welt verbreitete Phänomen Schritt für Schritt in den Griff zu bekommen. Die "dedowtschina" (das System der älteren Rekruten, die als "Großväter" die jüngeren erniedrigen, quälen und missbrauchen) sei durch die Reduktion der Militärdienstzeit auf ein Jahr wesentlich zurückgegangen. Sorge bereite auch der Alkoholismus, ein Problem, das sich seit der Aufhebung des Alkoholmonopols potenziert habe. Alkoholismus gelte ebenso wie Drogenmissbrauch in der russischen Armee als schwere Dienstverfehlung, aber es gehe hier um "gesamtgesellschaftliche Probleme".

Erzpriester Smirnow hielt seinen Vortrag auf Einladung der Militärpfarre beim Militärkommando Wien.

kathweb.at


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