Von dem, der säet
„Deshalb hat mir mal ein Priester gesagt: Lies das Evangelium jeden Tag, denn du wirst dich mit jedem Tag ändern. Einmal wirst du dem steinigen Boden gleichen, ein anderes Mal wird deine Seele voller Dornen sein und ein weiteres Mal ganz bedeckt mit dem Staub des Weges. Doch an irgendeinem Tag, werden die Worte dich ganz unerwartet tief berühren und dir neues Leben schenken.“ – aus einer Predigt zum Gleichnis vom Säemann von Metropolit Antonij von Sourozh
Статья

1.11.1998

Wir haben heute aus dem Evangelium das Gleichnis vom Säemann gehört und wir sollten uns einmal die Frage stellen, was überhaupt ein Gleichnis ist. Es ist nicht nur einfach eine Erzählung und nicht nur einfach die Darlegung eines Gedankens. Es ist vielmehr eine Herausforderung, man könnte auch sagen, ein Aufruf, darüber nachzudenken, was es uns berichtet. Das Gleichnis von heute ist in diesem Sinne sehr klar und eindeutig. Christus nennt uns vier Bilder, die den Zuständen der menschlichen Seele entsprechen. Wir hören das Wort Gottes, hören es im Evangelium, hören es in den Gebeten und ebenso in unserem Herz, wenn unsere Seele und unser Verstand uns sagen, was Gottes Wahrheit ist. Doch wie reagieren wir darauf?  

Die Bilder, die uns Christus gibt – ja, es sind nur Bilder! - sagen viel mehr aus, als sie einfach beschreiben. Einige Worte fallen auf den Weg: Auch wir hören manchmal einen neuen Gedanken aus dem Evangelium oder einfach von einem Menschen. Und in diesem Moment scheint er uns zu gefallen. Wir finden ihn interessant, doch wir sind beschäftigt mit anderen Dingen. Und so schieben wir es meist auf, darüber nachzudenken. Doch so kommen uns andere Gedanken, die uns manchmal auch völlig vergessen lassen, was wir da gehört haben.

Manchmal ist es auch so, dass Gedanken aus dem Evangelium, aber auch gute Ideen aus dem Mund eines Mitmenschen, quasi in die Dornen fallen, das heißt, wir hören sie mitten in unseren Sorgen und den Aufregungen unseres Lebens. Wir sind völlig mit Anderem beschäftigt und irgendwie weit von uns entfernt vernehmen wir diese wunderbaren Worte, doch sie gehen unter im Lärm unseres Alltags und wir haben keine Zeit, um ihnen unsere Aufmerksamkeit zu schenken.

Manchmal fallen solche Gedanken auch auf steinigen Boden. Dies ist sehr furchtbar. Einmal ist es mir so ergangen. Es war so schrecklich, dass ich es nicht vergessen kann. Ich trat in die Kirche, um vor euch das Evangelium zu verlesen, also sowohl für mich als auch für euch die Worte Christi zu verkünden. Nichts von dem berührte mein Herz, nichts von dem kam bei mir an. Als ich in den Altarraum zurückging, dachte ich bei mir: Wie kann ich jetzt auf Worten meine Predigt aufbauen, die mir eigentlich nichts gesagt haben. Ehlicherweise hätte ich zum Heiland sagen müssen: Das, was du mir sagst, tust du vergeblich, denn es berührt mich nicht, es interessiert mich nicht. Ihr könnt euch vorstellen, wie furchtbar das ist! So trat ich auf die Kanzel und redete offen darüber, dass Christus mit mir geredet hatte, aber alles, was ich Ihm darauf antworten konnte, war: „Das, was Du mir erzählst, finde ich nicht interessant, es berührt weder meine Seele noch meinen Verstand. Deine Worte bleiben für mich einfach ein leerer Klang“.

Ich fühlte mich furchtbar. Wie kann ich vor dem Herrn stehen und im Namen der Kirche mich in ihrem Gebet zu Ihm wenden, ja dem Gebet der Kirche vorzustehen, wenn die Worte, die Worte Christi, die an mich persönlich gerichtet sind, in mir nichts bewirken? Ich wandte mich damals an die Gläubigen (Vielleicht können sich einige von euch noch daran erinnern? Aber vielleicht sind auch meine Worte in die Dornen gefallen und längst vergessen …)  - und sagte: „Denkt mal nach: Ist euch so etwas schon einmal passiert, dass ihr das Evangelium gelesen oder gute Gedanken gehört habt – ich meine nicht nur in einer Predigt, sondern auch von euren Verwandten und Freunden - und die einzige Reaktion, zu der ihr fähig wart, war: „Ach lass mich in Ruhe. Mir ist jetzt nicht nach so etwas! Ich bin müde, ich habe andere Sorgen und an anderes zu denken. Ich bin jetzt nicht in der Lage auch nur nachzufühlen, was du mir jetzt sagst. Geh bitte!“ Ist euch so etwas Furchtbares schon einmal passiert? Aber genau das beschreibt Christus in seinem Gleichnis. Und das ist etwas Schreckliches.

Lasst uns darüber nachdenken: Wer bin ich heute? Steiniger  Boden, der jedes Wort, was ich höre, sofort abweist? Ein Weg, auf dem die Menschen gehen, gehen und gehen? Oder ist meine Seele von solchen Sorgen, solcher Unruhe und anderen Interessen erfüllt, dass die Worte Christi nur einen sehr kleinen Teil von dem darstellen, was ich höre, weil es eigentlich viel wichtigere Dinge gibt für mich im Leben? Oh mein Gott, was für ein Grauen!

Deshalb hat mir mal ein Priester gesagt: Lies das Evangelium jeden Tag, denn du wirst dich mit jedem Tag ändern. Einmal wirst du dem steinigen Boden gleichen, ein anderes Mal wird deine Seele voller Dornen sein und ein weiteres Mal ganz bedeckt mit dem Staub des Weges. Doch an irgendeinem Tag, werden die Worte dich ganz unerwartet tief berühren und dir neues Leben schenken.

Denkt darüber nach, denn darüber spricht dieses Gleichnis.

Amen
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