Понятие «личности» и богословия архимандрита Софрония (Сахорова)
Статья посвящена понятию «личности» -  истории термина, его значения в православном богословии и его интерпретации архимандритом Софронием (Сахоровым). Это вторая часть магистерской работы студента фрибургского Университета Александра Назаренко. (Статья на немецком языке)
Статья

Teil 1 - Biogaphie, Teil 2 - Der Personbegriff

 

4. Eine kurze geschichtliche Übersicht über den Personbegriff

            4.1. Die Etymologie und die Entwicklung des Wortes „Person“ im antiken Griechenland und im alten Rom

            4.2. Der Personbegriff in der Heiligen Schrift 

            4.3. Die Herausbildung der heutigen theologischen Bedeutung des Person- und Hypostasebegriffs im 4.–6. Jahrhundert       

            4.4. Die zwei wichtigsten Charakteristika des Personbegriffs in der orthodoxen Theologie 

4.4.1. Prosopon und Eros      

4.4.2. Person und Freiheit       

4.4.3. Der Personbegriff in der ost- und  westkirchlichen theologischen Hermeneutik. Der Gesichtspunkt der Theologen Metropolit Zizioulas und Chrestos Giannaras       

5. Die Person und der Hypostatische Ursprung als Basis des christlichen Glaubens     

            5.1. Einführung

            5.2. Die Offenbarung auf dem Berg Sinai      

            5.3. Die Personlehre nach Archimandrit Sophrony 

            5.4. Über das Personprinzip im Gott- und Menschsein

            5.5. Die empirische Theologie und die Methodologie von Starez Sophrony

            5.6. Grenzen der der wissenschaftlichen Methode in der Beschreibung der Personlehre als Widerspiegelung der Gotteserkenntnis 

            5.7. Der Unterschied zwischen Individuum und Person 

            5.8. Das Personsein „von Angesicht zu Angesicht“ als Basis unseres Handelns (Sünde – reuevolle Umkehr – persönliche Begegnung mit Gott)

            5.9. Das Gebet für die ganze Welt als ausschliessliche Äusserung des hypostatischen Ursprungs 

 

Nachwort       

 

Bibliographie   

 

4. Eine kurze geschichtliche Übersicht über den Personbegriff

4.1. Die Etymologie und die Entwicklung des Wortes „Person“ im Antiken Griechenland und im Alten Rom

Das Wort „πρόσωπον / prosopon“ ist im griechischen Altertum schon in den ersten literarischen Werken bekannt. Es findet sich schon in den Epen von Homer. In diesem alten Werk bezeichnet das Wort das menschliche Gesicht.

 

Im Wörterbuch der modernen Griechischen Sprache findet man die Etymologie des Wortes: Πρόσωπον besteht aus zwei Wörtern: „προς + ωπα“, das bedeutet: „vor den Augen“. Die Bedeutung „Mensch, Individuum“ folgt erst später.[1] Am Anfang, merkt Aristoteles an, wurde das Wort „prosopon“ nur auf die Menschen angewendet. Aristoteles unterscheidet die Tieren ihrer Natur nach von den Menschen, weil er die menschliche Natur als göttliche betrachtet: „διά το την φύσιν αυτού και την ουσίαν είναι θείαν“, schreibt er.[2] Später konnte das Wort „prosopon“ dafür benutzt werden, das äusserliche Aussehen der Tiere und Sachen zu bezeichnen. Folge dieser Erweiterung des Fachterminus war die Bildung von zwei neuen technischen Fachbegriffen durch griechische Poeten, die Tragödien verfassten: προσωπείο, προσωπίς (prosopeio, prosopis). Die beiden Fachwörter bedeuten die Maske, mit denen der Schauspieler sein Gesicht bedeckte.

 

Die alten griechischen Tragödien hatten den Platz des Menschen in dieser harmonischen Welt zum Thema. Dort wurde das Wort „Prosopon“ mit dem „Prosopeio“ der Schauspieler identifiziert. Und das war nicht zufällig. Der Mensch versucht in dieser harmonischen Welt zu leben, und dann scheitert er. Der Zuschauer bemerkt seine Unfreiheit, dass er nicht Prosopon, sondern Prosopeio ist. Aber durch den Schauspieler fühlt er sich sogar für einen Augenblick als Prosopon, weil er die Freiheit kostet. Für eine Minute wird er das Wesen, das er nicht ist.

 

Die griechischen Schriftsteller bezeichneten mit dem Wort „prosopon“ keine psychosomatischen Fähigkeiten der menschlichen Hypostase, weil sie eine vom Christentum verschiedene Anthropologie hatten. Was das christliche Denken mit dem Wort „prosopon“ meint, bezeichneten die Griechen mit dem Wort „Anthropos“.

 

Platon veränderte die Bedeutung des „prosopon“ und trug zur heutigen Bedeutung des Wortes bei. Er meinte, dass der Kopf den menschlichen Körper beherrscht. Und das Gesicht ist der wichtigste Teil des Kopfes, wo sich die fünf wichtigsten Sinne und die Augen befinden. Deshalb zeigt das Gesicht – Prosopon – die geistliche Hypostase des Menschen, und das erweitert die Bedeutung des Wortes.[3]

 

Die alte griechische Philosophie identifizierte „Prosopon“ mit den Begriffen „ουσία“ – Wesen und υπόστασις – Hypostase. Deshalb lag in dem Begriff keine Freiheit, sondern Notwendigkeit. Nur in der alten griechischen Tragödie sieht man den Versuch des Menschen, Prosopon zu werden, frei von der Notwendigkeit des Wesens.

 

Die Stoiker und Pythagoräer trugen zur Verbreitung des Wortes bei und gaben ihm eine anthropologische Bedeutung. Die Stoiker betonten die psychosomatische Harmonie des Menschen im Vergleich zu den Tieren. Für sie spielte das Wort „Prosopon“ die Rolle, die der Mensch im moralischen Leben hat.

 

In der hellenistischen Zeit, als man in den Texten von Josephus, Philon, Phokylides und Plutarch bemerkt, sind die Wörter Prosopon und Anthropos (Mensch) Synonyme.[4]

 

Die Römer benutzten das Wort persona, um das Gesicht und die Gesichtsmaske im Theater zu benennen. Die Etymologie des Fachwortes geht auf das etruskische Wort Phersu zurück. Phersu ist eine etruskische Gottheit, die von einem Schauspieler mit einer Maske dargestellt wurde. Ein substantiviertes Adjektiv sieht man in dem Wort Phersuna. Wenn wir andere Ableitungen beiseite lassen, so ergeben die drei genannten doch eine gewisse sachliche Einheit. Denn Person wäre in jedem Fall der Maskenträger: 1) Prosopon als Gesicht, dann als Gesichtsmaske, 2) personare als „hindurchtönen durch eine Maske“, 3) und Phersu auf jeden Fall als Maske und Maskenträger.

 

Im Historischen Wörterbuch der Philosophie findet man die Etymologie des Wortes Person. Das lateinische Wort persona (ursprünglich „Maske“, dann „Rolle, Charakter, Person“) wurde in der Antike von „personare“, „durchtönen“, abgeleitet, wobei man sich auf die akustische Wirkung des Sprechens durch die Schauspielermaske berief. Von den vielfältigen Versuchen der modernen Forschung, Licht in die Herkunft des Wortes zu bringen, verdient lediglich der Hinweis auf das etruskische Wort „φersu“ Beachtung, das „Maske, Schauspieler“ zu bedeuten scheint. Da die Schauspielermaske wohl ebenso wie das übrige Bühnenwesen von den Griechen zu den Römern gelangte, ist wiederholt vermutet worden, den italischen Bildungen „φersu-persona“ liege das griechische πρόσωπον („Gesicht, Maske“, spätestens seit der Kaiserzeit auch „Person“) zugrunde, eine wegen der lautlichen Unterscheide recht unsichere Annahme.

 

Aus der Grundbedeutung von „Persona“, „Maske“ (des Schauspielers) gingen alsbald die übertragenen Verwendungsweisen hervor: 1. „Rolle, die der Schauspieler darstellt“ und 2. „Rolle, die der Mensch in der Gesellschaft spielt“. Belege für den theatralischen Bereich finden sich seit Plautus und Terenz, Belege für den aussertheatralischen seit der Zeit Ciceros.

 

 

Es ist sicher, dass die Römer schon vor der Zeit Christi die im Theater spielenden Menschen Personen nannten. Die Übernahme des Personbegriffs vom Theater in den Rechtsbereich erklärt sich am einfachsten dadurch, dass man einen Prozess mit einem Schauspiel vergleicht. Der Richter, der Angeklagte, der Anwalt, die Zeugen waren die „mitspielenden Personen“. So kam es sehr schnell dazu, die Menschen, insofern sie Träger von Rechten und Pflichten sind, als Personen zu bezeichnen. Das ist schon Cicero bekannt. Er trennt genau Personen von Sachen. Damit hängt dann wohl zweifellos zusammen, dass sich auch die allgemein philosophische Sprache daran gewöhnte, jeden einzelnen Menschen als Person zu bezeichnen.

 

 

Die von den Lexika bereits für die römische Antike beanspruchte Bedeutung „persona“ (im Sinne von „Persönlichkeit, Individualität“) ist hingegen eine Schöpfung der christlichen Tradition, der allenfalls durch die abstrakte Verwendung des Wortes in der Terminologie der Rhetorik und des Rechts vorgearbeitet worden sein mag.[5]

 

Im lateinischen Raum hat Tertullian als erster dieses Wort für theologische Zwecke in Anspruch genommen. Im vierten und fünften Jahrhundert, auf den frühchristlichen Konzilien, wurde „Person“ als der geeignete Ausdruck befunden, um von drei göttlichen Personen und von der Person Christi zu reden.[6]

 

Der Personbegriff in der Heiligen Schrift

Im Alten Testament findet man die Lehre, dass der Mensch als „Ebenbild Gottes geschaffen war“ (Gen 1,27). Gott offenbarte sich Moses als eine Person auf dem Berg Sinai. Diese Offenbarung ist der Grundstein der Personlehre des Christentums. Vater Sophrony schenkt diesem wichtigsten Ereignis in der menschlichen Geschichte grosse Aufmerksamkeit. Das werde ich später detailliert beschreiben.

 

Πρόσωπον diente in der Septuaginta zur Wiedergabe des hebräischen Wortes panim, das sowohl das Gesicht des Menschen als auch die Vorderseite unbelebter Gegenstände bezeichnen konnte und häufig als verstärkendes Füllwort – zur Hervorhebung der Person oder Sache, mit der es sich verband – verwendet wurde. So erklären sich Semitismen, bei denen πρόσωπον (mit einem Genetiv) von einer Präposition abhängt: από (του) προσώπου „ausgehend von, von – weg“, z. B. από πρόσωπο κυρίου του θεού („von Gott dem Herrn weg“); εκ (του) προσώπου „von – weg, vor – weg“, z. B. έφυγον εκ προσώπου αυτού („sie flohen vor ihm“) usw. Das Neue Testament machte sich diesen Sprachgebrauch, zumal die präpositionalen Ausdrücke, voll und ganz zu eigen (από προσώπου του κυρίου „weggehend von dem Herrn“); so wurde er auch von den griechischen Kirchenvätern übernommen.[7]

 

Im Neuen Testament ist das Wort Gottes in der Person Christi Mensch geworden. Christus betont die Lehre über den unschätzbaren Wert des Menschen. Das Wort „Person“ findet man 74mal im Neuen Testament. Manchmal ist es in der Hauptbedeutung als Hypostase des Menschen verwendet (1 Kor 13,12; 1 Thess 2,7; 3,10). In anderen Fällen wird das Wort „Person“ gebraucht, um die Anwesenheit Gottes auszudrücken (Mt 18,20; Hebr 9,24).[8]

 

4.3 Die Herausbildung der heutigen theologischen Bedeutung des Person- und Hypostasebegriff im 4.–6. Jahrhundert

Der Metropolit des Ökumenischen Patriarchates und Professor der Theologie Johannes Zizioulas nennt zwei Möglichkeiten, wie das Wort „Prosopon“ im frühen Christentum seine wesentlich ontologische Bedeutung bekommen hat: 1) Die altgriechische Welttheorie musste verändert werden, damit der Mensch von der Abhängigkeit der alten Kosmologie befreit wird; 2) die Identifizierung des Wesens des Menschen mit dem Personbegriff.[9]

 

Die heutige theologische Bedeutung des Personbegriffs formulierten die Kirchenväter im 4.–6. Jahrhundert. Sie kämpften gegen verschiedene Ketzer (Sabellius, Markion, Arius, Apollinaris, Makedonius, Nestorius), die die griechische Philosophie verwandten, um die Christus- und Dreifaltigkeitslehre zu verändern.

 

Im 4. und 5. Jahrhundert befasste man sich damit, wie man sich das Verhältnis zwischen den drei vereinigten göttlichen Instanzen in der Trinität vorzustellen habe. Als dieses Problem gelöst wurde, konzentrierte sich das theologische Denken auf Christus, auf dessen göttlich-menschliche Doppelnatur. Es ging sowohl bei der Trinität als auch bei Christus um eine Antinomie, ein Spannungsverhältnis (einer Dreiheit zur Einheit bei der Trinität, einer Zweiheit zur Einheit bei Christus), und man brauchte eine hinlänglich differenzierte Terminologie, um die verschiedenen Wesenheiten zu klassifizieren. Als Klassifikationsbegriffe boten sich einmal philosophische Kategorien an wie ουσία, φύσις, υπόστασις / essentia, natura, substantia und zum anderen der von der prosopographischen Exegese überkommene, von Haus aus grammatische Ausdruck πρόσωπον – persona.

 

Im Historischen Wörterbuch der Philosophie, im Artikel „Person“ liest man, dass in der Verwendung des Personbegriffs der lateinische Westen dem griechischen Osten vorausging. Hier wurden – nach dem Vorbilde Tertullians – die drei Instanzen der Trinität als personae charakterisiert, und als Bezeichnung für das die drei göttlichen Personen umgreifende Eine bürgerte sich die Kategorie „substantia“ ein. Der Osten mit seiner reicheren philosophischen Tradition bevorzugte zunächst den Begriff υπόστασις (im Sinne von „existierendes individuelles Wesen“) für die trinitarischen Personen, während das umfassende Eine der Göttlichkeit durch ουσία ausgedrückt wurde. Diese terminologische Differenz war dadurch bedingt, dass „substantia“ bereits ουσία wiederzugeben pflegte und demzufolge für υπόστασις das genaue Äquivalent nicht mehr in Betracht kam. Persona fungierte als Ersatz, wobei man in Kauf nahm, dass dieser Ausdruck leicht anthropomorphe Vorstellungen hervorrufen konnte.[10]

 

Für das richtige Verständnis von „Hypostase“ im philosophischen und theologischen Sinn ist Folgendes zu beachten: Das Verbal-Substantiv „Hypostase“ ist eher vom medialen υφίσταμαι (darunter stehen) als vom aktiven υφίστημι (darunter stellen) her zu erklären. Es bedeutet, was darunter steht: Stütze, die sich unsichtbar aufstellt: Untergrund, der sich unten ansammelt.

 

Der Neuplatonismus gab dem Wort die heutige theologische und philosophische Bedeutung. Albinus und Philo verstehen die Hypostase als Verwirklichung des Urprinzips, das auf die geistige Welt übertragen und mit der Stufung allen Seins verbunden wird. Danach beschränkt Plotin den Gebrauch von Hypostase auf das Eine (selten), den Geist und die Seele. Nach ihm kann die Materie, die nur auf das Dasein hingeordnet ist, aber noch nicht eigentlich existiert, nicht Hypostase genannt werden. Porphyrius betrachtet jedes Sein als Hypostase, insofern es ein höheres Sein ausdrückt und manifestiert.

 

Die Kirchenväter des vierten Jahrhunderts benutzten die neuplatonische Terminologie, die in ihrer Epoche existierte. Aber sie gaben dem Prosopon-Personbegriff eine neue Bedeutung. Man kann drei neue Charakteristika für den Begriff finden: 1) Freiheit; 2) Liebe, weil sie mit der ontologischen Freiheit identifiziert wird; 3) Unähnlichkeit und Originalität. Die Kirche übernahm den Prosopon-Begriff und setzte ihn in der Dreifaltigkeitslehre, in der Christologie und Ekklesiologie ein. Dieses Charakteristikum passt zu Gott im höchsten Grade.

 

In den vorwiegend im 4. Jahrhundert ausgetragenen Auseinandersetzungen um den christlichen Monotheismus ging es besonders darum, den Glauben an Vater, Sohn und Geist, den einzigen Gott, philosophisch haltbar zu formulieren. Dabei kam der Unterscheidung von Hypostase und ουσία eine besondere Bedeutung zu. Zugleich war abzuklären, wieweit Hypostase als Synonym zu Person (πρόσωπον, persona) verstanden werden kann. Die Auseinandersetzungen darüber vollzogen sich im Wesentlichen zwischen der Synode von Alexandrien (362) und dem allgemeinen Konzil von Konstantinopel (381). In dem Masse, wie Homöousianer und Homoousianer sich über die Konsubstanzialität des Sohnes und vor allem auch des Geistes einigen konnten, verstanden sie sich dazu, das Vater, Sohn und Geist gemeinsame Sein als μία ουσία zu bezeichnen, ihre eigentümlichen Unterschiede aber unter dem Begriff der Hypostase zusammenzufassen, was in der Formel μία ουσία, τρεις υποστάσεις (ein Sein/Wesen, drei Hypostasen/Personen) gebräuchlich geworden ist. Basilius von Cäsarea und besonders Gregor von Nyssa benutzten die Analogie von κοινόν (gemeinsam: ουσία) und ίδιον (eigentümlich: υπόστασις). Sie stützen sich dabei offensichtlich auf die Logik, wie sie die Neuplatoniker ihrer Zeit im Anschluss an die Stoa in ihren Aristoteles-Kommentaren entwickelten. Dabei setzte sich auch eine Identifikation von Hypostase und πρόσωπον (Person) durch. Diese Gleichsetzung, die langwierigen Streitigkeiten zwischen Lateinerin und Griechen und zwischen Griechen untereinander (Schisma von Antiochien) ein Ende machte, war keineswegs aus der Luft gegriffen, denn sowohl Hypostase als auch πρόσωπον besagen Kundgabe der Wirklichkeit. Aber anders als das lateinische „Persona“, das vor allem unter dem Einfluss der Rechtssprache schon früh ein Einzelwesen bezeichnen konnte, hatte πρόσωπον lange den Sinn von etwas bloss Äusserlichem bewahrt. Es musste darum als wahrhaft existierendes Sein weiter bestimmt werden. Nur so konnte es an die Stelle von Hypostase treten.[11]

 

4.4. Die zwei wichtigsten Charakteristika des Personbegriffs in der Orthodoxen Theologie

Die Orthodoxe Theologie unterscheidet zwei wichtige Charakteristika des Personbegriffs: 1) Liebe, Eros; 2) Freiheit.

Diese Begriffe werden zunächst von der asketischen Seite her analysiert. Die Kirchenväter betrachten die Person unter dem Gesichtspunkt der Askese und der Ontologie. Wenn man den Personbegriff nur aus psychologischer Sicht definiert, gibt es keine Möglichkeit, die Lehre der Kirchenväter über die Person zu verstehen. Der Metropolit Ierotheos Vlachos schenkt dem Wert des asketischen Verständnisses der Person viel Aufmerksamkeit. Er zitiert Kirchenväter und zeitgenössische Theologen, um zu bestätigen, dass das nicht nur seine persönliche Meinung ist, sondern die traditionelle feste Ansicht der Orthodoxen Kirche. [12]

 

4.4.1. Prosopon und Eros

 

Man weiss, dass der Personbegriff mit Liebe verbunden ist, und nur eine Person kann eine echte Liebe haben. Professor Chrestos Giannaras schreibt: „Die persönliche Unähnlichkeit offenbart sich nur durch persönliche Beziehung mittels schöpferischer Liebesenergie, die die Person von der gemeinsamen Natur trennt. Und diese Offenbarung und Kenntnis der persönlichen Unähnlichkeit sind in dem Masse vollständig, wie das Ereignis der Kommunikation und Beziehung durch die Liebe vollendet wird. Die Liebe ist der Weg der Kenntnis der Person, weil sie das Erreichen der vollständigen Annahme des anderen ist. Die Liebe projiziert keine egoistischen Wünsche auf den anderen, sondern sie nimmt jemanden als das an, was er ist, in seiner Fülle und persönlichen Originalität. Deswegen vollendet das Wissen der Unähnlichkeit der Person sich in erotischer Überwindung und Selbstaufopferung. Deshalb ist der Eros in der biblischen Sprache mit der Erkenntnis der Person identifiziert“.[13]

 

Die Kirchenväter behaupten: erst wenn ein Mensch Person wird, entwickelt sich die echte Liebe. Die Person ist mit Liebe verbunden. Gott ist Person und liebt den Menschen. Die Person kann nicht ohne Liebe vorgestellt werden, und echte Liebe ohne echte Personen ist auch nicht möglich. Die Person ist wesentlich eine Offenbarung, Erscheinungsform des Herzens, Erneuerung des Menschen.

 

Es ist jedoch notwendig, die Kriterien der Liebe zu nennen. Hier soll die Liebe nicht psychologisch und philosophisch, sondern theologisch und ontologisch verstanden werden. Der heilige Dionysios Areopagita sagt: „οικείως εαυτοίς επί τον μεριστόν και σωματοπρεπή και διηρημένον εξωλίσθησαν, ως (ος) ουκ εστίν αληθής έρως, αλλά είδωλον ή μάλλον έκπτωσις του όντως έρωτος“.[14] Das bedeutet: wenn die Kräfte der Seele über und gegenüber der Natur sich bewegen, entwickelt sich die echte Liebe. Andernfalls ist es die fleischliche sinnliche Liebe, die der Wegfall der echten Liebe ist. Deswegen ist der Eros mit der Person verbunden, wenn die Person nicht psychologisch, sondern theologisch interpretiert wird.[15]

4.4.2. Person und die Freiheit

Der Personbegriff steht auch in Verbindung mit der Freiheit. Die Lehre, dass der Mensch als „Ebenbild Gottes“ geschaffen wurde, ist mit der Freiheit verbunden, und die Kirchenväter nennen sie die Selbstherrschaft (Herrschaft von sich aus).

Die Freiheit versteht man oft unter dem moralischen und philosophischen Gesichtpunkt als die Möglichkeit der Wahl zwischen Gute und Böse. Aber die Freiheit, schreibt Metropoliten Ierotheos Vlachos, gemäss der Kirchenväterlehre, hat eine andere Bedeutung. Die Wahlmöglichkeit – „γνωμικό θέλημα“ ist das Merkmal der Mangelhaftigkeit der menschlichen Natur. Deswegen kann der Mensch nicht die absolute Freiheit haben. Nur Gott hat die Freiheit in der absoluten Bedeutung des Begriffs, weil er eine ungeschaffene Natur hat. Jedes Wesen, das einen Anfang hat und dessen Existenz von jemand anderem abhängig ist, hat nicht die absolute, sondern die relative Freiheit.[16] Metropolit Zizioulas behauptet: „Die wesentliche Person, als Träger der absoluten ontologischen Freiheit, muss ungeschaffen sein, das heisst frei von jeder Notwendigkeit. Wenn diese Person wirklich nicht existiert, dann ist der Sinn der Person nur ein Wunschtraum und eine Phantasie“.[17]

 

Der Mensch hat von Geburt an keine absolute Freiheit. Aber man kann sie erwerben, wenn man in Christus als Person geboren wird. Die biologische Geburt gibt dem Menschen keine Möglichkeit, die ontologische Freiheit zu haben. Nur in der Kirche, durch geistliche Erneuerung und Theosis kann man als neue Hypostase in Christus die wirkliche Freiheit erwerben.

 

4.4.3. Der Personbegriff in der ost- und  westkirchlichen theologischen Hermeneutik. Der Gesichtspunkt der Theologen Metropolit Zizioulas und Chrestos Giannaras

Metropoliten Ierotheos Vlachos im seinen Buch „Prosopon in der Orthodoxen Tradition“ behauptet, dass zwischen den Weisen der Interpretation des Personbegriffs in der Orthodoxen Kirche folgende zwei am wichtigsten sind: a) die theologisch–philosophische und b) die ekklesiologische Methode. Professor Chrestos Giannaras präsentiert die theologische–philosophische Methode, die zweite wird von Metropolit Zizioulas vorgestellt.

 

Professor Chrestos Giannaras erklärt, das, was ein Wesen von einem anderen unterscheidet, sind das Selbstbewusstsein und die Verschiedenheit. Diese Fachwörter findet man bei den heiligen Dionysios Areopagita und Gregor von Nyssa. Die Möglichkeit, Selbstbewusstsein und Verschiedenheit zu haben, hilft dem Menschen, dem anderen Menschen und der anderen Sache gegenüberzustehen, gegenüber jemandem und etwas. Das ist die Hauptbedeutung des Wortes Prosopon, „προς + ωπον - gegenüber den Augen.[18]

 

Der Metropolit von Pergamon Johannes Zizioulas definiert das Fachwort „Person“ in seinem ekklesiologischen Rahmen und behauptet, es sei unmöglich, den Menschen ausser seiner ekklesiologischen Hypostase zu identifizieren. Er zeichnet drei Charakteristika der Person: 1) Freiheit, 2) Liebe, 3) konkretes, einzigartiges Wesen.[19]

 

Professor Giannaras denkt in seinem Buch „Prosopon und Eros“ über die Benutzung und Bedeutung des Begriffs im frühen Christentum nach. Für die erste und die mittlere christliche Periode sind Prosopon und Eros (Liebe) der Ausgangspunkt der Wesenserkenntnis. Deswegen hat die Erfahrung eine grosse Bedeutung in der Untersuchung der ontologischen Probleme. Der Autor identifiziert die Erfahrung mit dem Ereignis des Verhältnisses des Subjekts mit den anderen Subjekten und mit der Umgebung. Diese Erfahrung setzt den wesentlichen Universalismus, die Einheit des Herzens mit der Vernunft, des Wortes mit der Handlung, der Moral und dem Wesen voraus. Die Begriffe Persona (πρόσωπον), Natura (φύσις), Essentia (ουσία), Energien (ενέργειαι) können dafür benutzt werden, die empirische ontologische Frage zu beschreiben. Die Kennzeichen des Prosopon, nämlich Unähnlichkeit, Originalität und Verschiedenheit, zeigen eine Überlegenheit über die Natur und das Wesen.

 

Was Giannaras für die menschliche Person definiert, überträgt er auf die Person Gottes. Gott ist eine Person, weil seine Wesensweise Liebe ist. Er ist Liebe, weil er Dreifaltigkeit ist. Die göttliche Person ist schon im Alten Testament durch die Offenbarung erkennbar und in Fülle durch Christus. Die Erkenntnisweise der Person Gottes ist die persönliche Kommunikation in Liebe, der Eros, wie ihn Giannaras nennt, setzte das asketische Leben und Teilnahme am mystischen liturgischen Leben der Kirche voraus.[20]

 

In der lateinischen Theologie nahm Tertullian als erster dieses Wort für theologische Zwecke in Anspruch. Boethius war der erste, der einen Personbegriff aufstellte: „Persona est rationalis naturae individua substantia“ (Person ist die individuelle Substanz einer vernünftigen Natur). Diese Definition hatte im Mittelalter ein hohes Ansehen. Auch Thomas von Aquin hat sie übernommen, hat aber einige erläuternde Korrekturen angebracht. Er bringt auch noch eine andere Formulierung: Person ist „subsistens in intellectuali natura“.[21]

 

Im westlichen theologischen Denken, wie man etwa in der Scholastik, bei Thomas von Aquin und anderen Theologen beobachtet, ist die Erkenntnisweise vernünftig, weil das Sein nicht mit der Person, sondern mit essentia identifiziert ist. Richard von St. Viktor definierte die Person als „nichtmitteilbare Existenz einer intellektuellen Natur“ (persona est intellectualis naturae incommunicabilis existentia) und „durch sich allein existierend gemäss einer einzigartigen Weise vernünftiger Existenz“ (existens per se solum juxta singularem quendam rationalis existentiae modum) und schliesslich formuliert er: „Person ist eine Hypostase, die durch eine die Würde betreffende Eigentümlichkeit unterschieden ist“ (persona est hypostasis distincta propterietate ad dignitatem pertinente). Damit sind die Schlüsselbegriffe genannt: Vernunftnatur, Individualität, Nichtmitteilbarkeit, Substantialität, Würde. Der Gesichtspunkt der Rationalität der Person drängt immer stärker in den Vordergrund.[22]

 

 

5. Die Person und der Hypostatische Ursprung als Basis des christlichen Glaubens

 

5.1. Einführung

            Herr Jesus Christus, ewiges Licht,

            vom Vater ausgehend schienst Du vor aller Zeit.

            Du hast die Augen des Blindgeborenen aufgetan:

            Öffne Du auch die Augen unserer Herzen

            Und gewähre uns, Dich zu schauen,

            unseren Schöpfer und unseren Gott.[23]

Der Person- und Hypostasebegriff wird in der Theologie, Philosophie, Psychologie und in anderen Wissensbereichen heute breit diskutiert. Viele Theologen und Philosophen versuchten diesen für das christliche Verständnis tiefen und sehr bedeutsamen Begriff gedanklich zu verarbeiten und seine wahre Definition wiederzugeben. Aber die Uneinigkeit der Standpunkte zeigt, dass alle, die die Wahrheit suchen, unzufrieden sind und das Rätsel ungelöst bleibt.

Der Sinn der Person und der persönlichen Offenbarung des Gotteswortes legt für einen orthodoxen Theologen das Selbstbewusstsein des christlichen Glaubens fest und regt zum Zeugnis an. Wie Starez Sophrony sagt: „wenn wir die Lehre der Offenbarung über die Person richtig ausdrücken, wird die Einzigkeit unserer christlichen Tradition im Vergleich zu den verschiedenen religiösen, philosophischen, psychologischen und anderen heute existierenden Traditionen offenbar.“[24]

 

Die Lehre von der Person als ontologisches Verständnis der Sinnexistenz ist mit der religiösen Suche der Menschheit untrennbar verbunden. Archimandrit Sophrony schreibt: „Indem man zur Erkenntnis des Vollkommenen strebt, ist unserer Geist meistens auf das Urdasein gerichtet, auf das, was natürlicherweise wirklich ist. Diesen unbekannten, intuitiv suchenden Ursprung allen Lebens haben unsere frühen Vorfahren in Ehrfurcht angebetet. Sie vollzogen ihre Anbetung Gottes auf verschiedene Weise und manchmal in primitiven, naiven und wilden Formen, weil sie ihn nicht kannten, ‚wie Er ist’ (1 Joh 3; 2). Einige, die unter den Tiefsten und Klügsten waren, bereiteten den Opferaltar dem ‚Unbekannten Gott’ (Apg 17, 23). Die Grenze der ‚Unerkennbarkeit Gottes’ ist das Höchste, was die klassische Weisheit der Griechen erreicht hat. Aber kein Philosoph hat diese Linie bis heute überschritten, solange er in seinen Vernunftgrenzen beschränkt war und den Methoden der Wissenschaft treu blieb.

 

Wir haben die Grenzen unserer Vernunft zur Genüge erfahren, und deshalb wählen wir nun den anderen Weg – die Sphäre der Erkenntnis über das ursprüngliche Dasein: den Weg der Offenbarung im Gebet.

 

Man sucht in den Tiefen der Geschichte: Wann gab sich Gott in der Menschheitsgeschichte zu erkennen? Unzweifelhaft ist die Offenbarung auf dem Berg Sinai das Hauptmoment für die ganze christliche Tradition.“[25]

 

5.2. Die Offenbarung auf dem Berg Sinai

            O, Vater, Sohn und Heiliger Geist

            In der Dreiheit angebeteter Gott,

            Ein Wesen in Drei Personen,

            Unnahbares Licht, höchst verborgenes Mysterium:

            Erhebe unseren Verstand zur Anschauung

            Deiner unergründlichen Urteile

            Und erfülle unser Herz mit dem Licht

            Deiner göttlichen Liebe,

            auf dass wir Dir in Geist und Wahrheit dienen mögen

            bis zu unserem letzten Atemzug.

            Wir bitten Dich, erhöre uns und erbarme dich unser. [26]

           

Die göttliche Offenbarung, die Gott auf dem Berg Sinai Mose gegeben hat, ist die Basis der christlichen Ontologie: Я есть сущий, Ego eimi o on, Je suis Celui Qui suis, I am that I am, ICH BIN DER ICH BIN, auf Hebräisch „Jhwh“ (Ex 3,13-14). Gott wurde als Person offenbart, der Schöpfer der ganzen Welt: „Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist“ (Joh 1, 3). Dieses wunderbare Ereignis begründete eine neue Periode in der Geschichte der Welt. Wundervolle Horizonte wurden vor dem Menschen aufgetan, behauptet Starez Sophrony. in seinem Buch „Sein Leben ist mein.“ Er schreibt: „Das Ursprüngliche Sein hat sich uns unter dem Namen ICH BIN DER ICH BIN zu erkennen gegeben. Wem immer der Segen einer lebendigen Begegnung mit Ihm zuteil wurde, kann bis zu einem gewissen Grade die im Alten und Neuen Testament beschriebenen Offenbarungen Gottes in ihrer Bedeutung verstehen.“ Archimandrit Sophrony betont: „diese progressiven Offenbarungen Gottes in ihrer Bedeutung sind von überragender Wichtigkeit, einer solchen Wichtigkeit, dass alle anderen Ereignisse der Weltgeschichte daneben zur Bedeutungslosigkeit verblassen. Nicht nur unsere weltliche Aktivitäten, sondern alles, was der Verstand vom unendlichen Kosmos erfasst, ist eine Vorbereitung auf das unaussprechliche Wunder, das der Eintritt des Geistes in die von Liebe erfüllte lebendige Ewigkeit bedeutet.

 

Als Träger der ägyptischen Kultur zweifelte Moses nicht daran, dass die Offenbarung, die ihm auf so wunderbare Weise gegeben worden war, vom Dem kam, der das gesamte Universum geschaffen hatte. Im Namen dieses Gottes ICH BIN überzeugte er das jüdische Volk, ihm zu folgen. Moses war es gegeben, zu erkennen, dass das absolute Ursprüngliche Sein keine abstrakte Einheit, kein unpersönlicher oder überpersönlicher kosmischer Vorgang und kein Nicht-Sein war, das alles Existierende transzendierte. Er begriff, dass dieses Sein einen personalen Charakter hatte und ein lebendiger Gott war, der Leben spendete“.[27]

 

Jahrhunderte vergingen, ehe der wahre Inhalt des erstaunlichen ICH BIN verstanden wurde. Trotz ihres glühenden Glaubens wussten weder Moses noch die Propheten, die seine Erben waren, den Segen, der über sie ausgegossen war, in vollem Ausmass zu schätzen. Sie erfuhren Gott hauptsächlich durch die Ereignisse der Geschichte. Wenn sie sich Ihm im Geiste zuwandten, geschah ihre Kontemplation jedoch in Dunkelheit. Wenn wir als Erben des Neuen Testaments das Alte Testament lesen, stellen wir fest, wie Gott versucht hat, unseren Vorgängern klarzumachen, dass dieses ICH BIN ein Wesen und doch zugleich drei Personen ist. Manchmal sprach Er von sich Selbst sogar als Wir: „Und Gott sprach, lasst uns Menschen machen nach unserem Bild, uns ähnlich…“ (Gen 1, 26); „Und Gott der Herr sprach: „Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner“ (Gen 3, 22). Ein noch bemerkenswertes Beispiel finden wir bei Abraham: drei Männer erscheinen vor ihm, und doch spricht er zu ihnen wie zu einer Person (Gen 18, 2ff.).[28]

 

Archimandrit Sophrony schenkt der philologischen Analyse des Zitates der Erschaffung des Menschen viel Aufmerksamkeit, weil dies den Schlüssel zur richtigen Interpretation des personalen Charakters der christlichen Anthropologie ist. „Lasset uns Menschen machen in unserem Bilde, nach unserem Gleichnis; und sie sollen herrschen über die Fische des Meeres… (Gen 1, 26). „Lasst uns den Menschen machen…“ steht im Singular, und dann: „und sie sollen herrschen über die Fische des Meeres…“ folgt der Plural. Gott als Einer sagte: „Lasst uns machen“. Es ist für das Prinzip der Person charakteristisch. Eine Person existiert nicht in sich selbst. Gott Vater lebt in Gott Sohn und in Gott dem Heiligen Geist. Und somit wird die Menschheit multi-hypostatisch, aber es ist ein Mensch. [29]

 

Die Offenbarung Gottes als ICH BIN DER ICH BIN verkündet den personalen Charakter des Absoluten Gottes, das Herzstück seines Seins. Um diese Offenbarung zu interpretieren, übernahmen die Kirchenväter den philosophischen Ausdruck „hypostasis“. Dieser vermittelt an erster Stelle die Bedeutung „Wirklichkeit“ (das, was wirklich ist) und kann sowohl auf Dinge und Menschen als auch auf Gott bezogen sein. In vielen Fällen wurde er als Synonym für Essenz benutzt (deutsch zumeist „Wesen“, die exakte lateinische Übersetzung ist „substantia“). Die drei Worte Person, Substanz und Wesen vermitteln zusammengenommen am besten den Inhalt des griechischen theologischen Begriffs „hypostasis“, der einerseits den Begriff „Person“ hervorhebt, andererseits auch die grundlegende Bedeutung der personalen Dimension im Sein unterstreicht.[30] Archimandrit Sophrony benutzt die Begriffe „Hypostase“ und „Person“ in seinen Werken als Synonyme mit gleicher Bedeutung.

 

Die Benutzung des Terminus „Hypostase“ wird in der östlichen Theologie parallel mit dem Personbegriff verwendet. Aber die Hypostase unterstreicht die ontologische Bedeutung der Person im Göttlichen Dasein: das ist die Basis, die Substanz des ganzen Seins. Der Begriff der Hypostase beschreibt die Wirklichkeit der Existenz Gottes, die Wahrheit des Absoluten Gottes, dem wir unser persönliches Gebet von Angesicht zu Angesicht darbringen. Wir beten nicht zum Wesen Gottes, sondern zu Gott als Person, einheitlich in drei Hypostasen. Die Hypostasedimension ist die erste und letzte Dimension von allem. Es ist der Ursprung und das Ende von allem, ausserhalb dieses Prinzips kann nichts existieren. Wo das Hypostaseprinzip fehlt, gibt es kein Dasein: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist“ (Joh 1,3).
 

5.3. Die Personlehre nach Archimandrit Sophrony

Das Hauptthema von Vater Sophronys theologischen Werken ist die Lehre über die Person, über Gott als ‚persönliches Sein’ und über die Begegnung zwischen dem persönlichen Gott und der Person des Menschen. „Hypostase-Person ist ein ursprüngliches Prinzip und eine allumfassende Dimension im göttlichen Sein. Dies trifft auch auf das menschliche Leben zu. Außerhalb von diesem Prinzip existiert nichts“ – sagt Vater Sophrony in seinen Buch „Gott schauen, wie Er ist.“[31]

Die richtige Interpretation und das Verständnis der Personlehre spielt nach ihm die entscheidende Rolle im geistlichen Leben eines Christen. Es ist ein Leitmotiv seiner Theologie. Er betrachtet verschiedene Seiten des Lebens in Christus durch das Personprinzip. Das Gebet, die Liebe, der Gehorsam, die Reue, die Gottesoffenbarung, das Stehen vor Gott von Angesicht zu Angesicht usw. möchte ich aufmerksam in den folgenden Kapiteln betrachten und vorstellen. Der asketische Weg, Christus zu folgen, den Starez Sophrony seinen Brüdern und Schwestern im Kloster unterrichtet, betrifft nicht nur das Mönchsleben, sondern das Leben eines jeden Menschen, der Christus nachfolgen will.

 

5.4. Über das Personprinzip im Gott- und Menschsein

            Oh Heilige Dreieinigkeit, Vater, Sohn und Heiliger Geist –

            Oh Höchster Gott, König und Schöpfer aller Ewigkeit,

            Der Du uns Deines Göttlichen Bildes gewürdigt hast,

            und in die sichtbare Form unserer Natur das Gleichnis

            Deines unsichtbaren Wesens eingeschrieben hast:

            Gewähre uns, Gnade und Barmherzigkeit

            Vor Deinem Angesicht zu finden, auf dass wir Dich verherrlichen

            Am unvergänglichen Tage Deines Reiches,

            zusammen mit allen Deinen Heiligen von Anbeginn. [32]

 

In diesem Kapitel möchte ich viel von Archimandrit Sophrony zitieren und erläutern. Ich stütze mich vor allem auf das Kapitel über das Personprinzip in seinem Buch „Gott schauen, wie Er ist“. Diesen Abschnitt finde es sehr wichtig, weil man hier die Grundlage der Lehre des Starez über das Personprinzip findet.

 

Archimandrit Sophrony fängt das Kapitel mit einem kleinen Vorwort über Christus und unsere Vereinigung mit ihm an:

 

„Die unerschütterliche Basis der Gotterkenntnis wurde uns durch das verkörperte Wort Gottes – Jesus Christus - gegeben. Indem wir mit Liebe zu ihm hingezogen werden, erleben wir eine tiefe Verklärung unseres ganzen Wesens. Sein grenzenloses Leben wird uns übergeben. Unser Geist steht zwischen zwei Polen: auf der einen Seite ist die finstere Tiefe der Hölle, während auf der anderen das Himmelreich Gottes ist, das von der nicht untergehenden Sonne beleuchtet ist. Der Inhalt unseres Seins erweitert sich unglaublich. Die Seele strebt im Gebet nach diesem wunderbaren Gott. Wir hassen uns so wie wir sind. Viel Zeit wird bis zum Verständnis vergehen, bis Gott in uns selbst betet, um uns in Sein anfangsloses Leben einzubeziehen. Durch dieses von Gott gegebene Gebet verbinden wir uns mit Christus: zuerst in Seiner mystischen Kenose und dann in Seine göttlichen Allmacht – ‚…Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen“ (Joh 17,3).“[33]

 

Indem Starez Sophrony seine Personlehre mit Christus beginnt, will er behaupten, dass Christus die unerschütterliche Basis und das höchste Kriterium für christliche Anthropologie ist. Alles, was wir über die menschliche Natur Christi bekennen, ist die Offenbarung über das Vorhaben Gottes von Anfang an über die gesamte Menschheit (vgl. Eph. 1, 4–5).[34] Wenn Christus wahrhaftig Menschensohn war, bedeutet das, dass alles, was Er gemacht hat, für die anderen ‚Menschsöhne’ möglich ist. Christus ist wirklich eine Person. Er zeigte durch sein Leben, dass, wenn man sich in kenotischer Liebe zum Nächsten überwindet, man wahrhaftig und ontologisch eine Person wird. „Wer sein Leben findet, der wird es verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es finden“ (Mt 10, 39).

 

„Die Person–Hypostase kann im Dasein Gottes nicht ein begrenztes Prinzip sein. Die Hypostase ist ein Ursprung in unserem geschaffenen Dasein, der die Unendlichkeit umfasst. Es gibt eine Aufgabe für unseren hypostatisch-persönlichen Geist: die Mauer der Zeit zu durchbrechen und die Schwelle des Raums zu überwinden. Wir haben eine Analogie dieser geistlichen Ereignisse in unserem Alltagsleben. Der Schall macht die Atmosphärenerschütterung ähnlich einer Detonation, wenn er die Überschallgrenze erreicht. Auf solche Weise ist der Geist des Menschen von der Grösse der ihm offenbarten Vision erschüttert, wenn er in der Welt der göttlichen Ewigkeit eintritt. Das Universum erlebt dabei einen Wandel in seinem Schicksal: DER MENSCH IST IN DER WELT GEBOREN – das Ereignis, das dem Weltall den neuen ewigen Wert vermittelt. Der Mensch, als hypostatischer Geist, gehört zur ewigen Ontologie. Die Geretteten in Christus – die Heiligen – sind die Träger der göttlichen Ewigkeit. Sie eignen sich das anfanglose ungeschaffene Leben in ihrem Besitz an, und bleiben dennoch die Geschöpfe in ihrer Natur“.[35]

 

Der ewige und grosse Wert eines heiligen Menschen ist – der für das ganze Universum bedeutsamen persönlichen Erfahrung des Starez nach – ein grosses Ereignis und ein Schatz und kann seiner Überzeugung nach zu einer guten und vernünftigen Antwort für die protestantischen Christen werden, die den Heiligen ihre Anerkennung verwehren.

 

Man spürt, dass die christliche Anthropologie des Starez einen tiefen ontologischen Charakter hat. Das Problem und die Schwierigkeit ist, meiner Meinung nach, für einen Leser die abgrundtiefe asketische und mystische Erfahrung von Archimandrit Sophrony. Ich meine, dass normalerweise ein Christ, der bestenfalls am Sonntag in die Kirche geht, die Lehre über die hohe Bestimmung des Menschen und seine volle Ähnlichkeit mit Gott kaum verstehen wird. Heutige Christen tun heute meistens in der westlichen wie auch in der Ostkirche nur „einen kleinen Schritt“ auf Christus hin und meinen, es sei genug für ihre Rettung. Und die „Rettung“ stellen sie sich meistens abstrakt und nicht persönlich vor. Wer seine Seele nicht jeden Tag und jede Stunde prüft und sich damit zufrieden gibt, Gott für einen materiellen Erfolg in seinem Leben zu gebrauchen, ist weit entfernt vom wahren Christentum. Ein Grund dafür ist nach der Beobachtung des Starez die Zurückführung des Christentums auf die Stufe einer moralischen Doktrin. Man vergisst die Lehre Christi, dass nur derjenige, der Sein Wort wahrhaft befolgt, verstehen wird, ob sie vom Menschen oder von Gott ist.

 

„Man beobachtet eine doppelte Bewegung in der geistlichen Welt des Menschen. Eine davon ist negativ und absteigend. Seine Form drückt sich in der zunehmenden Dynamik der Sünde aus. Das Geschöpf, das die göttliche Freiheit hat, lehnt das Gottesgesetz als äusserliche Einschränkung ab. Der Mensch strebt nach absoluter Selbstbehauptung und Selbstvergöttlichung.

 

Die andere Bewegung ist positiv und aufsteigend. Sie drückt sich als Streben nach Liebe zum Vater aus.

 

Es gibt eine Parallele zwischen diesen beiden Tendenzen in den Herzen und im Geist der Menschen. Die erste Tendenz hat zum Ziel, sich der irdischen Existenzform zu entkleiden, und zwar durch Phantasien über eine grosse Ruhe des geheimnisvollen, alles transzendierenden Ur-Daseins. Nach der anderen Tendenz ‚…leidet das Himmelreich Gewalt, und die Gewalt tun, die reißen es an sich (Mt 11, 12)’. Die Menschen, die dieser Bewegung folgen, vollbringen die schmerzliche geistliche Grosstat der Überwindung der allen Menschen bevorstehenden Verwesung. ‚Wir wollen lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden, auf dass das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben. (2 Kor 5,4)’.

 

Die einen stellen sich das Absolute als überpersönlich vor. Bestenfalls ist die Persönlichkeit als Konzept die erste Stufe des Verfalls, die Selbstbeschränkung des Absoluten. Für die anderen ist PERSON gerade die Basis allen Wesens. Und das ist unsere Gottes- und Weltanschauung. Der Hypostatische Gott offenbarte uns sich als der Schöpfer „des Himmels und Erde, das ganzen Sichtbaren und Unsichtbaren“. Er ist das durch sich selbst bestehende Wesen, der Erste und der Letzte: es gab nichts vor Ihm und nach Ihm. Er ist der Gott der ewigen ungeschaffenen Liebe. Diejenigen, die ihn lieben, haben die Fülle der Sohnesliebe durch den Sohn Gottes, Jesus Christus, der sagte: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben“ (Joh 14, 19)“.[36]

 

Man merkt, dass Starez Sophrony oft die Heilige Schrift zitiert. Er findet in der Bibel die Bekräftigung seiner Erfahrung. Er liest nicht, sondern lebt das Gotteswort, und Christus, das Wort des Vaters, wohnt in ihm. Archimandrit Sophrony ist ein grosser Mönchsmystiker, der uns die Grösse des menschlichen Lebensziels offenbart.

 

Ich finde den Vergleich mit den atheistischen Anschauungen und dem Streben nach dem alles transzendierenden unpersönlichem Ur- oder gar Un-Dasein genial. Das erklärt die Begeisterung für den Buddhismus und Okkultismus von vielen Menschen in der heutigen Welt, die vormals Atheisten waren. Starez Sophrony behauptet, dass es für den menschlichen Geist charakteristisch ist, nach Gott als Hauptaufgabe des Daseins zu streben. Aber wenn wir uns nicht von der göttlichen Offenbarung über uns, sondern von unserer begrenzten Vernunft leiten lassen, kommen wir fatalerweise zur Verneinung des personalen Charakters Gottes. Vater Sophrony zeigt zwei Gründe der Verneinung auf. Der erste Grund ist der apersonale Charakter des Gesetzes menschlicher Logik, das heisst allein der Struktur des vernünftigen Denkens. Der zweite Grund ist eine verkehrt verstandene Persönlichkeit Gottes: als Beschränktheit des Formdaseins. Darin liegt eine Verwechslung von zwei gegensätzlichen Begriffen – dem Begriff des Individuums und dem der Person. Die weitere logische Entwicklung dieser falschen Mischung führt zur Verneinung des geschaffenen Kosmos überhaupt.[37]

 

„Die Hypostase–Person ist allein das innerste Prinzip des Absoluten Seins: seine Anfangs- und Enddimension: ‚Ich bin das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende, spricht Gott der HERR, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige’ (Offb 1, 8).

 

Die Hypostase Gottes kann nicht definiert sein. Sie liegt ausserhalb der Grenzen von allem, was determiniert sein kann. Unerkennbar rational kann sie sich dem Menschen als Selbstoffenbarung Gottes wesentlich zu erkennen geben (vgl. Mt 11, 27; Lk 10, 22; Joh 17, 26).

 

Und in dem Menschen, als dem Ebenbild des persönlichen Gottes, ist das Personprinzip ‚der verborgene Mensch des Herzens unverrückt mit sanftem und stillem Geiste; das ist köstlich vor Gott’ (1 Petr 3, 4). Und die geschaffene Person erstreckt sich weiter auf einige Definitionen. Die wissenschaftliche und philosophische Erkenntnis drückt sich in Begriffen und Definitionen aus; die Person ist aber ein unerkennbares Wesen für wissenschaftliche und philosophische Erkenntnisformen. Sie ist Gott ähnlich, kann aber von aussen nicht bis an ihr letztes Ende erkannt werden, wenn sie sich der anderen Person nicht offenbart.

 

Gott ist ein verborgener Gott, und der Mensch hat in sich die verborgenen Tiefen. Gott ist der Anfang des Daseins, nicht der Mensch, aber der letztere wurde mit potenzieller Möglichkeit geschaffen, das ungeschaffene Gottesleben zu assimilieren und in sich auf ewig zu erhalten“.[38]

 

Archimandrit Sophrony zieht eine Parallele zwischen der göttlichen und der menschlichen Person. Die allgemeine Ähnlichkeit liegt in der Unerkennbarkeit der Gotteshypostase durch Rationalität und Vernunft. Nur aufgrund der Erfahrung und Selbstoffenbarung kann der hypostatische Ursprung erkannt werden. Im Unterschied zu der ungeschaffenen Hypostase Gottes ist der Mensch ein Geschöpf. Doch der Mensch wurde als Ebenbild und Ähnlichkeit Gottes erschaffen, als potentieller Gott. Indem man den Geboten Christi und dem Evangelium folgt und in der Kirche den traditionellen asketischen Weg geht, berührt man das ewige Leben, und die Gnade Gottes macht die Theosis des Menschen möglich. Aber es gibt kein „Rezept“, um die Theosis zu erreichen. Jeder Weg zu Christus ist persönlich, und das „letzte Wort“ hat immer Gott in seinem Willen, sich jedem Christen zu offenbaren. Gott sieht die verborgene Tiefe jedes Menschen, die für andere Menschen unsichtbar ist. Meiner Meinung nach liegt hierin der Grund, warum äusserlich ähnliche Schicksale der Menschen doch so unähnlich sind. Ich meine, zum Beispiel, die ähnlichen Lebensweisen vieler Mönche und Christen (Gebet, Kommunion, Gehorsam, Treue zur kirchlichen Tradition), aber nur einige von ihnen erreichen die Theosis in Christus.

 

„Christus ist Gott seinem Wesen nach und ist Mensch geworden und eignete sich in seiner Hypostase unsere Natur an. Die Theosis ist für die menschliche Hypostase durch Gnade möglich, indem das Gottesbild in der menschlichen Hypostase in Fülle realisiert werden kann. Im personalen, persönlichen Prinzip des Menschen besteht die Ähnlichkeit dem Jemand, der sich uns mit dem Namen ‚ICH BIN’ geoffenbart hat. Im Akt der Theosis hypostasiert der Mensch in sich die göttlichen Attribute: Ewigkeit, Liebe, Licht, Weisheit, Wahrheit.

 

Die Kirchenväter haben immer und in jedem Jahrhundert die Offenbarung über unsere Gottähnlichkeit geäussert. Aber jeder auf seine verschiedene Weise. Teilweise ist das so, weil sie nicht auf dem gleichem Niveau der Gottes- und Menschenkenntnis waren. Die Idee über die Fülle der Ähnlichkeit, bis hin zur Identität sogar, erschreckte diejenigen, die das als Vereinigung mit Gott bis zur eigenen Unkenntlichkeit verstanden haben. Zwischen dem Menschen und Gott bleibt ewig eine ontologische Distanz: Gott ist das undefinierte Sein, das Ur-Sein, die Menschen jedoch sind seine Geschöpfe. Aber in dem Schöpfungsakt ‚nach dem Ebenbild und Ähnlichkeit’ wiederholt der Schöpfer wesentlich sich selbst, und Er ist in diesem Sinn unserer ‚Vater’. Meinte Gott diesen Akt, als Er uns sein Gebet, das ‚Vater unser’ gab? Durch seine Verkörperung liess das Wort Gottes uns mit seinem Fleisch und Blut kommunizieren, damit wir sein ewiges Leben hätten.

 

Christus offenbarte uns die Vollkommenheit des Gottesbildes im Menschen und ermöglichte unserer Natur, sich die Fülle der Theosis anzueignen. Nach der Himmelfahrt wurde die menschliche Natur durch Christus ‚zur Rechten des Vaters’ gesetzt. Aber unsere Natur wurde in ihm nicht mit dem ungeschaffenen Gotteswesen vereinigt. In Christus, dem verkörperten Wort des Vaters, betrachten wir die unvergängliche Gottesidee über den Menschen“.[39]

 

Für die orthodoxe asketische Tradition ist dies eine klassische Passage über die Immanenz und auch Transzendenz Gottes. Gott ist immanent in uns in seiner Person und durch seine Gnade; die menschliche Natur sitzt „zur Rechten des Vaters“; und Er ist transzendent in seinen Wesen. Aber die Idee von Starez Sophrony über die Fülle der Gottähnlichkeit des Menschen, bis sogar hin zur Identität, ist ein Gedanke, den wir nur bei einigen mystischen Kirchenvätern finden. Das ist nicht Neues, sondern die ursprüngliche Idee, die im Schoss der Kirche ewig bleibt. Meiner Meinung nach ist die Idee der Gottähnlichkeit des Menschen bis hin zur Identität der Kern der Lehre Christi: „Ihr sollt vollkommen sein, gleich wie euer Vater im Himmel vollkommen ist“ (Mt 5, 48).

 

„Die Offenbarung ‚Ich Bin Der Ich Bin (Das Sein ist Ich)’ zeigt, dass die hypostatische Dimension in Gott eine fundamentale Bedeutung hat. Das Personprinzip in Gott ist kein abstrakter Begriff, sondern die wesentliche Realität, die über seine Natur und Lebensenergie bestimmt. Das Wesen ist kein Hauptmoment, das die Personen-Hypostasen in ihren wechselseitigen Beziehungen bestimmt. Im Dasein Gottes gibt es nichts, was ausserhalb des hypostatischen Prinzips ist. Die Tiefe des Geheimnisses der göttlichen Personen ist unerkennbar. Ihre Selbstbestimmung in Ewigkeit ist ein Akt ohne Anfang: Es gab keinen Moment, wo der Vater keinen Sohn gehabt hätte oder den Heiligen Geist hervorgebracht hätte. Der Vater ist Anfang. Er teilt dem Sohn die Fülle seiner Natur und sein Wesen mit. Dasselbe gilt von dem Hervorgehen des Heiligen Geistes. Daraus folgt, dass der Sohn und der Heilige Geist dem Vater völlig ähnlich sind.

 

Das fleischgewordene Vaterwort – Christus-Mensch – ist uns durch das Wort vermittelt, das Er vom Vater empfing und uns gab (vgl. Joh 17, 8). Wir wissen um sein irdisches Leben durch die frohe Botschaft und geistliche Tradition. Christus offenbarte uns ‚Seinen Vater und unseren Vater’ (vgl. Joh 20,17). Die Erkenntnis des Heiligen Geistes kommt langsam. Er belebt nicht nur die Kirche und seine Kinder, sondern die ganze Welt und jedes Geschöpf. Der Heilige Geist heilt uns von den Folgen des Sündenfalls und heiligt uns. Er macht alles unsichtbar wie ein wunderbarer heimlicher Freund, der uns keine Dankbarkeit aufbürden will. Er weiss, dass in unserem sündigen Zustand das edle Gefühl der Dankbarkeit zur Last wird. Die grosse Seligkeit ihn zu erkennen kommt langsam, während sich in uns durch seine Hilfe der hypostatische Ursprung öffnet. Und wir beginnen das göttliche und kosmische Dasein anders wahrzunehmen. 1

 

Ein hervorstechendes Merkmal der Theologie des Starez Sophrony ist die fundamentale Bedeutung der hypostatischen Dimension in Gott. Durch seine asketische Erfahrung und Gottesoffenbarung behauptet er, dass das Wesen Gottes kein Hauptmoment ist, welches die Personenhypostasen bestimmt. Sophrony tut, was Basilius der Grosse ‚Theologia’ nennt. Er beschreibt die Beziehungen innerhalb der Dreifaltigkeit. Besser gesagt, er beschreibt sie nicht, sondern versucht die Wichtigkeit der personalen Dimension in den Beziehungen in Dreifaltigkeit zu zeigen. Die Tiefe der göttlichen Personen bleibt für ihn ein Geheimnis. Der Starez, als grosser Theologe, kennt die theologische Ethik, welche große Vorsicht bei der Beschreibung der Theologia voraussetzt. Aber trotzdem unternimmt er einen mutigen Versuch, die ontologische Schönheit unserer Gott ähnlichen menschlichen Natur durch das Fleisch gewordene Wort des Vaters aufzuzeigen, um den Weg zur Theosis des Menschen zu ermöglichen.

 

„Person ist derjenige, der wirklich lebt. Ausser diesem Ursprung kann nichts existieren: ‚In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen’ (Joh 1, 4). Die wesentliche Erhaltung dieses Lebens ist Liebe: ‚Gott ist Liebe’ (1 Joh 4, 8). Das personale Wesen realisiert sich durch die Liebesbegegnung mit dem Anderen, oder mit anderen Personen. Gemäss der wunderbaren Offenbarung: Ich Bin Der Ich Bin, und dem geschaffenen ‚Ebenbild und Ähnlichkeit’ Mensch, leben wir vor allem als personale Geschöpfe. Dieser Ursprung macht uns ewig. Das besitzt die Fähigkeit zur Erkenntnis seines Urbildes – den Lebendigen Gott. Der Mensch ist mehr als ein Mikrokosmos, er ist Mikrotheos. Indem er Geschöpf wurde, empfing er das Gebot, Gott zu werden (heiliger Gregor der Grosse). Wenn der Schöpfer dem Menschen in allem ähnlich war (vgl. Hebr. 2, 17), folgt daraus, dass der Mensch mit der Fähigkeit geschaffen wurde in allem Gott ähnlich zu werden: ‚…wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.’ (1 Joh 3, 2).

 

Die lebendige Erfahrung der Person ist in dieser Welt selten gegeben. Sie kommt durch das christusähnliche Gebet für die ganze Welt wie ‚für sich selbst’, gemäss dem Gebot: ‚Liebe deinen Nächste wie dich selbst’. Indem der Mensch durch den Heiligen Geist geführt ist, wohnt in diesem Gebet des Menschen wesenhaft das Bild der Dreieinigkeit. In diesem Gebet erlebt man das eine Wesen der menschlichen Natur. Der ganze Adam wird zu einem einzigen Menschen in Einheit.“[40]

 

„Wenn das Gebet das höchstmögliche Mass an Spannung erreicht hat, wenn Gott Selbst in ihm betet, empfängt der Mensch eine Vision und ein Bild Gottes, das jenseits jeglichen Bildes ist. Dann betet die Mensch–Person wahrhaftig ‚von Angesicht zu Angesicht’ mit Gott. In dieser Begegnung aktualisiert sich in uns, was am Anfang nur potentiell angelegt war: die Person.

 

Indem wir durch den Geist Gottes zum Gebet für die ganze Welt, zur Teilnahme am Gebet des Sohnes Gottes im Garten Gethsemane hingezogen sind, erleben wir plötzlich in uns ein Wunder: in uns geht eine geistliche Sonne auf, die PERSON heisst. Das ist der Anfang der neuen ewigen Daseinform in uns. Wir nehmen nicht vernünftig, sondern ontologisch in der Tiefe unseres Daseins die Offenbarung des Hypostaseprinzips in der Dreifaltigkeit wahr. Das tiefste Geheimnis des Seins ohne Anfang offenbart sich uns im Lichte: Der persönliche, lebendige, Gott; Einer in drei Personen; Gott der Liebe, die einzige Wahrheit“.[41]

 

„Ich schreibe die Geschichte meiner Seele“, – sagt Archimandrit Sophrony. „Ich habe für diesen meinen Irrtum viel bezahlt. Ich konnte nicht aus eigener Kraft aus der Verführung des Transzendentalismus der östlichen Mystik eines unpersönlichen Absoluten herausfinden. Das Wort ‚Person’ war in meinem Bewusstsein mit dem Begriff des Individuums identisch.

 

Als ich durch die Gottesgabe die ontologische Bedeutung im Personprinzip im Gottesdasein verstand, änderte sich natürlicherweise alles. Ich sah alles in einer umgekehrten Perspektive. Wir, die Geschöpfe, sind als Personen noch nicht aktualisiert, sondern potentiell geschaffen. Ich bin nicht das Ur-Dasein, sondern dessen Bild. Ich soll durch die Gebote des Evangeliums meine persönliche Gottesbildlichkeit aktualisieren und realisieren. Man muss die Begrenzung des Individuums überwinden um die göttliche Daseinart zu erben.

 

Falls Gott kein personales Wesen wäre, könnten wir, als Sein Bild, nicht in die hypostatische Form des Daseins gelangen. Weil die Person im Akt des Gebets zu Gott von Angesicht zu Angesicht in uns geboren ist, ist sie nicht länger den irdischen Gesetzen unterworfen. Sie transzendiert die Grenzen dieser Welt und existiert in der Sphäre der anderen Dimensionen.

 

Das absolute Ur-Dasein ist hypostatisch. Und der Mensch, die Ähnlichkeit des Absoluten, ist die Person-Hypostase. Gott ist Geist, und die Mensch-Person ist ebenfalls Geist. Dieser Geist ist kein abstrakter Geist, weil er Seine Natur hat. Gott-Wort ist Mensch geworden (Joh 1, 14), und Er zeigte dadurch, dass er keine Erfindung unserer Vernunft war. Gott ist die erste wesentliche Realität; und die menschliche Person ist dies ebenso.

 

Das ist der Person, dem Ebenbild Gottes, eigen, in einem Verhältnis der Liebe zu Ihm zu stehen. Die Liebe drückt sich nicht durch Opposition aus, durch ein „ich bin nicht“. Die Person umfasst im Liebesgebet die ganze Welt. Sie ist die Einheit alles Existierenden. Im schöpferischen Akt strebt sie nach der allumfassenden Einheit und ‚ad extra’ (nach aussen).

 

In dieser Liebe liegt die Ebenbildlichkeit mit Gott, der selbst Liebe ist. Die Person an sich ist von einer alle anderen kosmischen Werte übersteigenden Erhabenheit. Der Mensch schaut die göttliche Welt und frohlockt über die Freiheit, die er entdeckt hat.“[42]

 

„Die Mensch-Person ist ein Zentrum, das in sich nicht nur die kosmische Realität, sondern die ganze Fülle des gottmenschlichen Daseins fassen kann. Die Person ist in sich selbst mehr als der ganze Kosmos, sie ist ein unvergänglicher Wert.

 

Der von Gott im Gebet geschaffene Mensch ist niemals allein. Die Person kennt keine Einsamkeit. Sie ist immer in der Gegenwart des allgegenwärtigen Gottes. Die Mensch-Person kennt die Einsamkeit deshalb noch nicht, weil sie für die ganze Welt betet“.[43]

 

Die wesentliche Erhaltung dieses Lebens ist Liebe, sagt der Starez. Person – Liebe – Kenose – sind die Begriffe, die unser Leben in Christus bestimmen. Eine potenzielle Person wird zur wahren Person durch die Begegnung mit dem anderen und durch die Liebe zum Nächsten. Liebe ist Kenose. Die Kenose ist ihrerseits ein Austritt aus unserem Egoismus, eine Abnahme unseres „Ego“, ein Wunsch, den Willen Gottes zu erfüllen. Das ist der Christusweg, den Er in seinem Leben bis zum Ende am Kreuz verwirklichte. ‚Person’ zu sein bedeutet, die Menschen zu lieben, für die ganzen Welt zu beten, die Tragödie der Welt in seinem Herzen zu enthalten und jeden Tag gekreuzigt zu sein. Aber wir wissen und hoffen, dass nach der Kreuzigung die Auferstehung und das Himmelreich Gottes des Vaters folgen.

 

5.5. Die empirische Theologie und die Methodologie von Starez Sophrony

            Oh Heiliger Geist, geheimnisvolles Licht;

            Unerforschliches Licht, Licht jenseits aller Namen:

            Komm und verweile in uns.

            Erlöse uns von der Finsternis unseres Unwissens

            Und fülle uns mit dem Strom Deiner Erkenntnis. [44]

Es gibt zwei Grundmethoden in der Geschichte der Theologie als Wissenschaft: die empirische und die akademische Methode. Diese Klassifikation ist besonders wichtig für eine traditionelle orthodoxe Theologie. Unter empirischer Methode versteht man eine persönliche Erfahrung eines Heiligen, die auf Gottesoffenbarung als Gabe des Heiligen Geistes beruht. Die akademische Methode ist eine systematische Klassifizierung, vernünftige Analyse oder ein Vergleich des kumulativen geistlichen Eigentums der Kirche. Die akademische Theologie wurde vor kurzem endgültig als Gesamtheit der verschiedenen Bereiche (z.B. Patristik, Dogmatik, Liturgiewissenschaft, Kirchengeschichte usw.) systematisiert.

Die empirische Theologie ist die eigentliche Theologie. Nikolaos Kios, ein griechischer Forscher des geistlichen Erbes von Archimandrit Sophrony, schreibt in seinem Buch „Theologie und Erfahrung nach Starez Sophrony“: „In der Geschichte der Kirche gibt man der empirischen Theologie den Vorzug. Starez Sophrony versteht das als Gabe (Charisma – χάρισμα). Die Theologie, die als Charisma betrachtet wird, basiert besonders auf Gnoseologie. Die letztere sieht den Menschen und den offenbarten Gott vor. Die empirische Gnoseologie als wahrhaftiges Wissen unterscheidet sich von wissenschaftlichem exaktem Wissen. Die Grundverschiedenheit diesen zwei Arten von Theologie liegt in der Einschränkung in der Logik des wissenschaftlichen Wissen. Die geistliche Kenntnis enthält in sich den ganzen Menschen und schafft eine wesentliche Kommunikation. Der Begriff ‚Kenntnis’ soll in diesem Fall in der biblischen Bedeutung verstanden sein. Die empirische Theologie, verstanden als wahrhaftige wesentliche Gotteserkenntnis, ist kein Resultat des Denkprozesses. Sie ist die Frucht der Erleuchtung des Heiligen Geistes. Um diese Stufe der Kenntnis zu erreichen, die das Schauen Gottes ist, muss man laut dem Gebot des Evangeliums „rein im Herzen“ (vgl. Mt 5, 8) sein. Die Herzreinheit ist die Voraussetzung für das Schauen Gottes (θεοπτία), das die Quelle der empirischen Theologie ist“.[45]

 

Die empirische Methode ist mit der anthropologischen dogmatischen Lehre verbunden. Die Lehre über die Gottebenbildlichkeit des Menschen (Gen 1; 26) ist Grundlage der orthodoxen Gnoseologie. Ein wichtiger Angelpunkt für die weitere Entwicklung der anthropologischen Lehre ist der Sündenfall des Menschen. Der Sündenfall von Adam und Eva machte ihnen die Gotteserkenntnis unmöglich. Der Sündenfall verursachte die Teilung von Vernunft und Herz. (Die Einheit der Vernunft und des Herzen ist, laut der biblischen Lehre, ein Zentrum des menschlichen Wesens. Man versteht darunter die geistliche Einheit des Menschen und nicht einfach die Einheit der körperlichen Organe). Um die Gotteskenntnis zu erwerben, ist es folglich ein tiefer Wandel des Menschen vonnöten. Dieser Wandel kann durch Reue und Reinigung von Leidenschaften verwirklicht werden. Auf diese Weise wird die Askese – als der Kampf gegen Passionen – eine Methode der theologischen Erkenntnis. Nikolaos Kios behauptet: „So jemand eine Definition der Methode von Archimandrit Sophrony geben möchte, würde sie als ‚analytische Beschreibung der asketischen Erfahrung formuliert’“.[46]

 

5.6. Grenzen der wissenschaftlichen Methode in der Beschreibung der Personlehre als Widerspiegelung der Gotteserkenntnis

            Oh Du, der Du bist,

            Oh Gott, der Vater, Allmächtiger Herr;

            Der Du uns erschaffen

            und in dieses Leben gebracht hast:

            Gewähre uns, Dich zu erkennen,

            Den einzig wahren Gott. [47]

Das Vorhandensein von Subjekt und Objekt ist die Basis der wissenschaftlichen Erkenntnismethode. Die Methode, die für die Physik als Wissenschaft charakteristisch ist und als Basis die Objektivität hat, dient perfekt für die Erkenntnis der physischen Welt. Aber sie scheitert im Versuch, die Wahrheit des Lebens zu erläutern. Das objektive Wissen ordnet sich den Gesetzen der Physik und schliesslich dem Gesetz des Todes unter, – behauptet Professor G. Mantsaridis von der Theologischen Fakultät in Thessaloniki.

Indem er das theologische Erbe von Archimandrit Sophrony vollständig untersucht, versucht Professor Mantsaridis die Unzulänglichkeit und letztlich Unfähigkeit der wissenschaftlichen und philosophischen Methoden in der Beschreibung der Personlehre zu beweisen. In seinem Vortrag „Starez Sophrony als Theologe des hypostatischen Ursprungs“ präsentiert der Professor die kirchliche traditionelle Meinung, dass sich die ontologische Erfahrung der Gotteserkenntnis ausserhalb unserer physischen Gesetze bewegt.[48]

 

Der Mensch kann das objektive Wissen bevorzugen –  schlägt G. Mantsaridis vor –, um die Bedürfnisse des Lebens zu erfüllen. Aber wenn man die Hauptbegriffe des Lebens wie z.B. Liebe, Schmerz, Tod erläutern möchte, ist es besser, man baut nicht auf die Methode der Objektivität. Diese Begriffe bewegen sich jenseits der Objektivität, weil sie sich auf den Menschen als Person und seine Kommunikation mit anderen Personen sich beziehen.

Starez Sophrony bemerkt: „Die wissenschaftliche und philosophische Erkenntnis drückt sich in Begriffen und Definitionen aus; die Person ist aber ein unerkennbares Wesen für die wissenschaftlich-philosophische Erkenntnisform. Sie ist Gott ähnlich und von aussen her nicht bis auf ihren Grund erkennbar, wenn sie sich der anderen Person nicht offenbart.[49]

 

Im Kapitel „Über das Prinzip der Person im Gottesdasein und Menschendasein“ schreibt Sophrony: „Unsere Erkenntnis des Absoluten ohne Anfang, das sich uns als das persönliche Dasein offenbarte, hat keinen abstrakten, sondern einen personalen empirischen Charakter. Versuchen wir dies in anderer Terminologie zu äussern: Im Erkenntnisprozess unterscheidet man das Subjekt und das Objekt. Gemäss unserem Verständnis über die Gotteserkenntnis ist der Prozess der Objektivation des Erkennbaren beseitigt, weil Er nur ‚in einer Beziehung der Liebe’ und im Zustand des reinen Gebets erkennbar ist. Unsere geschaffene Person wird durch Heiligen Geist in die Sphäre des ungeschaffenen Gottesdaseins eingeführt. Und dann nehmen wir Gott innerhalb unserer selbst als unser Leben wahr. Das ist der grundlegende Unterschied zwischen der wissenschaftlichen und geistlichen Erkenntnis. Letztere muss als gemeinsame Existenz, als Vereinigung im Dasein, als Koexistenz verstanden werden“.[50]

 

„Wissenschaftliche Erkenntnis oder Wissen bewegt sich jenseits oder ausserhalb des Gotteswissens. Gott ist kein Objekt, sondern Person, oder genauer die Dreifaltigkeit der Personen. Gott ist die Wahrheit. In Rahmen der Philosophie und Theologie gibt es keine befriedigende Antwort auf die Frage ‚Was ist die Wahrheit?’, oder ‚Was ist Dasein?’. Diese Frage ernüchtert und ermüdet den Menschen und führt zu dem enttäuschten Schluss, den Pontius Pilatus zog, als er Christus die allerdings nur rein rhetorische Frage stellt: ‚Was ist Wahrheit?’ Eine Antwort gibt allerdings auf die Frage ‚Wer ist die Wahrheit?’ und ‚Wer ist Dasein?’. Christus antwortete Pilatus: ‚Ich bin die Wahrheit’. ‚Ich bin der Ich bin’. Nicht ‚was’, sondern ‚wer’. Und ‚wer’ ist der hypostatische Gott, der auf lebendige Weise mit den Menschen verkehrt.“[51]

 

5.7. Der Unterschied zwischen Individuum und Person

            Oh Heiliger Geist, König der Ewigkeit,

            Spender unvergänglichen Lebens:

            In Deiner unermesslichen Barmherzigkeit

            senke deinen Blick herab auf die Schwachheit

            unserer Natur.

            Erleuchte und heilige uns.

            Lass das Licht Deiner Erkenntnis

            in unseren finsteren Herzen leuchten.

            Und in den tönernen Gefässen unserer Vergänglichkeit

            Erweise Deine unüberwindliche Kraft. [52]

Der Begriff ‚Person’ (Personenbegriff) unterscheidet sich in der heutigen Theologie vom Begriff des Individuums. Diese beiden Begriffe unterscheiden sich besonders in der Theologie von Archimandrit Sophronys. Die Person bezeichnet einen Menschen, der beständig versucht, den Rahmen seiner Persönlichkeit zu sprengen. Er will durch die Erfüllung der Gebote Gottes und die Ähnlichkeit mit Christus das göttliche Sein erreichen. Das Individuum hingegen bleibt in einer tragischen Sackgasse von Sünden und Unkenntnis des seinen Schöpfers stecken. Die Person empfängt die Gnade, während dem Individuum die Gotteserkenntnis entzogen wird.

Vater Sophrony denkt über die Begriffe „Individuum und Person“ folgendermaßen nach: „Gott schenkte uns den Licht der Personoffenbarung, aber wir wurden geboren und beherbergen damit in uns die sperrige Masse des Individuums. Für das Individuum ist Egoismus und Eigenliebe charakteristisch. Einer Person aber ist es gegeben, sämtliche Geschöpfe durch die Flamme der Liebe Christi zu umfassen. Wir sind mit dieser Welt nach dem Sündenfall verbunden und sind gezwungen für unsere Freiheit in Gott zu kämpfen. Die heutige Zivilisation ist nach ihrer Art und Weise individualistisch. Der Individualismus ist in allen Menschen durch seine Erscheinungsform in den Leidenschaften kultiviert. Besonders stark merkt man das im Bereich der Künste. Genies, Begründer von diversen und eigenen Stilen wurden berühmt. Anders ausgedrückt, schätzt man die Originalität und Individualität des Künstlers. Auf diesem Prinzip ist unsere soziale Gesellschaft gegründet. Aber die Gesamtheit des Individuums ist im Wesentlichen ein Zustand des Sündenfalls mit seiner ausweglosen Tragik. Der Kult des Falls führt zur Entfremdung von Gott: der Mensch geht unter durch die Verfinsterung des Gottesbild in sich. Der umgekehrte Weg ist ein Sobor (Gesamtheit) der Personen: „Salz der Erde und Licht der Welt“. Solches ist in der Kirche Christi verwirklicht, besonders im liturgischen Akt: genau dort erscheint das wahrhaftige Bild der Heiligen Dreifaltigkeit. Durch den gesamten Inhalt der Göttlichen Liturgie ruft der Priester zum Dienst an Gott und für Gott auf, und zwar im Geist des Gethsemanegebetes Jesu Christi. Und solch ein Gottesdienst ist der Person eigen“.[53]

 

„In dem Moment, da uns der Heilige Geist gewährt, die hypostatische Form des Gebets zu erkennen, können wir anfangen, die Bande abzulegen, die uns in Fesseln halten. Wenn wir aus dem Gefängnis unseres ‚selbstischen’ Individualismus in die weiten Dimensionen eines Lebens nach dem Bilde Christi eintauchen, verstehen wir die Natur des im Evangelium vermittelten ‚Personalismus’.

 

Wir wollen einen Augenblick innehalten, um den Unterschied zwischen den beiden Begriffen individuum und persona zu betrachten: Es ist eine wohlbekannte Tatsache, dass das Ego die Waffe im Existenzkampf des Individuums ist, welches den Ruf Christi, sein Herz einer totalen und universellen Liebe zu öffnen, ablehnt. Die persona hingegen ist unvorstellbar ohne allumfassende Liebe, sowohl in Bezug auf das göttliche als auch auf das menschliche Wesen. Kontinuierliche und bei weitem nicht leichte Anstrengungen bringen es jedoch fertig, unsere Augen für die Liebe zu öffnen, die Christus gelehrt hat, und dann wir können durch uns selbst, durch unsere eigenen Leiden und unser Suchen die ganze Welt verstehen. Wir werden quasi wie ein weltweiter Radioempfänger und können uns selbst mit dem tragischen Element nicht nur im Leben einzelner Menschen, sondern dem der ganzen Welt identifizieren“.[54]

 

5.8. Das Personprinzip „von Angesicht zu Angesicht“ als Basis unseres geistlichen Handelns (Sünde – reuevolle Umkehr – persönliche Begegnung mit Gott)

            Herr Jesus Christus, Sohn des Lebendigen Gottes,

            Wir bitten Dich und flehen Dich an:

            verwirf uns nicht von Deinem Angesicht.

            Erzürne Dich nicht über uns

            Wegen unserer Schlechtigkeit,

            sondern erscheine uns,

            Oh Licht der Welt,

            und zeige uns das Mysterium Deiner Wege des Heils,

            auf dass wir Söhne und Tochter Deines Lichtes werden.

 

Der Offenbarung nach, die Gott über sich selbst gab, ist Er wahrhaftig und wirklich ein „Wesen“. Er ist der Schöpfer der ganzen Welt. „Alles ward durch dasselbe (das Wort), und ohne dasselbe ward auch nicht eines, das geworden ist. In ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen“ (Joh 1, 3-4). Für Starez Sophrony liegt hierin das Hauptmoment unseres Glaubens. Die Offenbarung berichtet, dass wir die Kinder Adams sind, die das Liebesgesetz zwischen Gott Vater und den Menschen brachen. Nach dem Sündenfall herrschte der Tod im Menschengeschlecht. Der Apostel Paulus sagt: „durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen, und durch die Sünde der Tod… wenn durch die Übertretung des Einen der Tod durch den Einen geherrscht hat, so werden vielmehr die, welche die Überschwenglichkeit der Gnade und der Gabe der Gerechtigkeit empfangen, im Leben herrschen durch den Einen, Jesus Christus (Röm 5, 12–17)“. „Was ist die Rettung in Christus?“ – fragt Vater Sophrony und antwortet auch sofort darauf: „Wir müssen gegen jede Erscheinungsform der Sünde in uns kämpfen, um uns von den Todesfolgen zu befreien… Aber das sind nur die ‚negativen’ Tätigkeiten: nicht genug, dass wir die Sünde nicht begangen haben, – es ist nötig, dass Gott selbst ‚kommt und Wohnung in uns nimmt’, es ist notwendig, dass Er unser Leben ist.“

 

Unser Glaubensbekenntnis fängt an mit dem Wort ‚Ich glaube’. Schenkt diesem Punkt Aufmerksamkeit“ – schlägt Vater Sophrony vor: „nicht wir glauben, das heisst ganz allgemein, sondern ‚ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde…’ Wenn wir das vernünftig sagen, müssen wir die anderen Wörter des Credo als unsere Habe haben. Jeder von uns Menschen ist ein vollständiges Bild Gottes. Und jede Person, das heisst jeder Mensch, soll in sich selbst Gott und die ganze geschaffene Welt tragen. Wenn wir in dieser Haltung bleiben, wird alles in eine ‚Synthese’ kommen. Diese Synthese ist im Namen Christi: ‚Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dich unser’. Wir rufen Seinen Namen an mit ganzem Bewusstsein unserer persönlichen Verantwortung für jede Tätigkeit, Absicht und Bewegung des Herzens. Verzeiht mir bitte“, wendet sich Sophrony an seine Mönchsgemeinde, „bitte, verliert niemals, bis zu eurem letzten Atemzug, die Pflege dieser ‚Großtat’, nämlich das orthodoxe Gebet, was letztendlich bedeutet, ständig von Angesicht zu Angesicht vor Gott zu stehen. Diese Aufgabe ist unglaublich grandios. Wir werden in vollem Bewusstsein leben, dass Gott uns sieht. Wir müssen uns bewusst sein, dass es im Personalen Gott nichts Nicht-Personales gibt.“

 

Vater Sophrony schreibt, wie bereits zitiert: „In der höchstmöglichen Spannung des Gebets, nämlich wenn Gott Selbst in uns betet, erreicht der Mensch die Schau Gottes, er sieht Gott. Dann betet die Mensch-Person tatsächlich ‚von Angesicht zu Angesicht’ mit Gott. In dieser Begegnung aktualisiert sich in uns, was am Anfang lediglich als Potenz, als Anlage vorhanden war – eben die Person.“[55]

 

Ein ständiges Stehen vor Gott führt uns in einen Gemütszustand, wo wir innerlich leben werden, indem wir das Leben Gottes aufnehmen. Das ist unser Ziel, dass das Leben Gottes zum Unsrigen wird: „His life is mine“ – Sein Leben ist mein Leben.

 

„Unser Weg ist langsam“, sagt Starez den jungen Mönchen und Nonnen, „wir, die wir von unseren Eltern die Sünde und den Tod erbten, verändern uns nicht sofort. Wie aber können wir diesen Tod besiegen? Gibt es eine Methode, dass wir jeden Tag ohne Sünde verbringen? Können wir es versuchen? Solches kann uns zur Erkenntnis des Absoluten Gottes führen.

 

Wir sollen als Personen leben, mit der vollen Verantwortung für jede Handlung und jeden Gedanken. Und wenn dann das Gebet kommt, das Gott dem heilige Siluan gab, können auch wir sagen: ‚Nun, Christus, bin ich in Dir.’

 

Heutzutage beschäftigen sich die Theologen, Psychologen und Philosophen mit Problemen des Personprinzips. Aber wir haben dieses Problem schon seit langem gelöst. Wir haben Christus als unser Vorbild. Er nahm auf Sich die Sünde der ganzen Welt, betete in Gethsemane, wurde auf Golgatha ans Kreuz geschlagen. Er ist eine Mensch-Person!“ – proklamiert Vater Sophrony. „Wenn Christus sagt: ‚Seid gutes Mutes, ich habe die Welt überwunden’ (Joh 16, 33), ruft Er uns zu demselben Sieg auf, den Er selbst vollbracht hat.“[56]

 

Man könnte sich vorstellen, dass diese einfachen Aussagen des begnadeten Sophrony für einige Theologen und Akademiker lächerlich sind. Oder man mag behaupten, dass daran nichts Neues ist. Aber in Wirklichkeit scheint mir, dass viele Menschen, die sich Christen nennen, diese wichtige Idee des persönlichen Stehens vor dem Angesicht Christi und das Vollbringen jeglicher Tätigkeit unter den Augen Gottes längst vergessen haben. Und die Konsequenzen sind hinlänglich bekannt. Das Christentum lebt oder überlebt heute eher als Kultur oder Folklore, jedoch ohne seine Ontologie. Die christliche Welt lebt „ohne Christus“ oder stellt sich Gott als etwas vor, was mit unserem heutigen Leben nichts zu tun hat. Die menschlich-wissenschaftliche Psychologie hat jedoch immer einen persönlichen Charakter. Ich glaube, dass Gefühle wie Liebe, Furcht, Angst und Freude immer mit anderen Menschen als Personen verbunden sind.

 

Starez Sophrony schreibt: „Der Begriff der Sünde existiert nur da, wo das Verhältnis zwischen Gott-Dem-Absoluten und dem Geschöpf Mensch einen persönlichen Charakter hat. Anderenfalls bleibt nur die intellektuelle Vorstellung über eine Stufe der Vollendung der Existenzform. Die Sünde ist immer ein Verbrechen gegen die Gottesliebe. Sie äussert sich als Entfernung von Gott und überredet unseren Willen, sich den Leidenschaften hinzugeben.“[57]

„…Reuevolle Umkehr entsteht nicht leicht im fleischlichen Menschen; denn niemand von uns ist fähig, das Problem der Sünde zu ergründen, das sich einzig und allein durch Christus und den Heiligen Geist erschliesst. Das Kommen des Heiligen Geistes ist ein Geschehen von äusserster Wichtigkeit. Der gefallene Mensch begegnet dem Allheiligen Gott. Der Begriff der Sünde ist nur dort möglich, wo Gott als absolute Hypostase gesehen wird. Ebenso ist die Umkehr von der Sünde nur da möglich und angebracht, wo eine persönliche Beziehung (z.B. zu Gott) besteht.

 

Die Begegnung mit dem Persönlichen Gott – hierin liegt die Bedeutung dieses Geschehens. Der sündhafte Mensch erfährt paradoxerweise gleichzeitig Furcht und Frohlocken. Es ist eine neue Geburt ‚von oben’. Eine wunderbare Blüte kommt in uns zur Entfaltung: die Hypostase – die persona. Ebenso wie das Reich Gottes, kommt auch die persona ‚nicht so, dass man es beobachten kann’ (Lk 17, 20). Der Prozess, durch den der menschliche Geist in den Bereich der göttlichen Ewigkeit eintritt, ist bei jedem einzelnen verschieden.“[58]

5.9. Das Gebet für die ganze Welt als ausschliessliche Äusserung des hypostatischen Ursprungs

            Oh Herr Jesus Christus,

            der Du der Widerschein des Vaters bist,

            getreues Abbild Seiner Person;

            vollkommener Abdruck Seines Wesens und Seiner Natur:

            Öffne unsere Herzen und festige unseren Sinn,

            auf dass wir Dich erkennen mögen,

            Den Eingeborenen und geliebten Sohn des Vaters.

            Sieh, in Ehrfurcht und Glauben stehen wir vor Dir,

            und vertrauen unsere Verzweiflung

            Deiner unergründlichen Barmherzigkeit an.

            Richte uns auf kraft Deines Heiligen Geistes,

            und so werden wir Deinen Schriften folgen. [59]

„Gebet ist Schöpfung ohne Ende, die höchste Kunst“. – sagt Starez Sophrony. „Am Anfang beten wir nur für uns selbst; aber wenn Gott uns durch den Heiligen Geist Einsicht gewährt, nimmt unser Gebet kosmische Dimensionen an. Wenn wir dann das ‚Vater unser’ beten, schliessen wir die ganze Menschheit mit ein und bitten um die Fülle der Gnade für alle genau so, wie für uns selbst: Geheiligt werde Dein Name in allen Völkern. Dein Reich komme zu allen Völkern, auf dass Dein göttliches Leben zu dem ihrigen werde. Dein Wille geschehe: nur Dein Wille verbindet alle in Liebe zu Dir“.[60]

Die Hypostase Christi ist ein Archetyp für einen Menschen. Wie Christus in Seiner Hypostase die Fülle der göttlichen und menschlichen Naturen trägt, so muss der Mensch, in seiner Gleichsetzung mit Christus die Fülle des göttlichen und menschlichen Lebens umfassen. Um die hypostatische Existenzform zu erreichen, wird ein Mensch Schweres in der Welt durchmachen. Sein Sieg wird der Sieg Christi. Das ist das göttliche Mass für die Hypostase des Menschen.

 

Auf solche Weise bezieht sich das Mass der empfangenen Gaben eines Christen auf seine Angleichung an Christus. Das bedeutet, dass die Christen die Liebe ‚bis zum Ende’ zeigen sollen. Und die unendliche Liebe wird im Gebet für die Rettung der ganzen Welt realisiert sein.[61]

Die kenotische Liebe Christi ist die Basis für das Gebet für die ganze Welt. Ausserhalb dieses Weges kann man nicht die „Fülle Gottes“ erreichen. Die Nachfolge auf dem Weg Christi zeigt die verborgene Grösse des Menschen auf.

 

Starez Sophrony unterschied zwei Wege, die den Menschen zum Gebet für die ganze Welt führen. Der erste Weg ist ein Resultat der Wirkung des Heiligen Geistes und der Vereinigung mit Christus in der Tiefe des Herzens. Durch diese Wirkung kommt ein Heiliger in den Zustand Christi hinein. Er schaut „den ganzen Adam“ (die ganze Menschheit in Adam) in Christus. Dank diesem Gebet liebt ein Asket die ganze Menschheit als einen Menschen. Das gute Beispiel des Gebetes für „den ganzen Adam“ war Starez Siluan, geistlicher Vater von Archimandrit Sophrony. Starez Siluan schrieb in seinen Schriften: „Wenn ich sterben werde, werde ich zu Christus kommen, und ich werde Ihn um die ganze Menschheit anflehen“. Vater Sophrony kommentiert das so: „Starez Siluan ist ‚Person’, ‚Hypostase’ im theologischen Sinn geworden. Die Person denkt und lebt als Christus. Und das drückt sich durch das Gebet für die ganze Welt wie für sich selbst aus.“[62] Der Heilige Siluan und sein Nachfolger Starez Sophrony waren wahre Theologen. Sie wussten, dass es keine individuelle Rettung in Christus für uns gibt. Vater Sophrony merkt an: „Wir tragen in uns das sündhafte Erbe unserer Vorfahren; und aufgrund der ontologischen Einheit der ganzen Menschheit bedeutet unsere eigene Heilung auch Heilung für sie. Wir sind alle so miteinander verbunden, dass der Mensch niemals nur sich selbst rettet.“[63]

 

Der zweite Weg, um dieses Gebet zu praktizieren, ist mehr asketisch. Durch seine persönliche Reue und seine Leiden durchlebt ein Asket die Tragödie der ganzen Menschheit. Er ist sich bewusst, dass diese Tragödie von Adam ihren Anfang nahm. Durch seinen Zustand betrachtet er die ganze Menschheit und identifiziert sich mit ihr. Die Erfahrung „der Hölle der Reue“ bringt das Mitleid und das Gebet für die ganze Welt wie für sich selbst. Durch diese Art von Gebet geht ein Asket von der individualistischen zur hypostatischen Form des Lebens über.[64]

 

Starez Siluan hatte eine seltene Erfahrung. Er betete für die ganze Welt, und diese geistliche Tat war so schmerzlich und schwer für ihn, dass ihn die Verzweiflung überkam. Dann erlebte Starez Siluan eine wunderbare Offenbarung Gottes. Christus erschien ihm und sagte seinem Herzen: „Halte dich mit Bewusstsein in der Hölle und verzweifle nicht“.[65]

 

Starez Sophrony hob hervor, dass ein Christ der Träger des „königlichen Priestertums“ ist, auch wenn er nicht Priester ist. Die Kraft und das Wesen dieses „königlichen Priestertums“ drücken sich im Gebet für die ganze Welt aus, laut dem Beispiel Christi.

 

Die vollkommene Äusserung des christlichen Personalismus findet man am meisten im Akt des Gebets der allumfassenden Liebe. In dieser Bewegung des Herzens gibt ein Christ sich selbst den Liebenden hin: zuerst Gott und dann, durch den Heiligen Geist, den anderen. In dieser kenotischen Liebe transzendiert er sich selbst: die Liebe wohnt in anderen, und nicht in sich selbst; die liebenden Personen sind sein Leben. Durch den Auszug aus dem Egoismus wird die Liebe zum Besitz aller, zur Einheit der ganzen Welt in sich. Der egoistische Individualismus äussert sich durch die Isolierung und den Kampf für die provisorische Existenz. Der Mensch als Hypostase, der als Ebenbild und Ähnlichkeit Christi geschaffen wurde, enthält in sich die Fülle der ganzen Menschheit. In der Dreifaltigkeit hat jede Hypostase die Fülle der anderen. Dasselbe gilt im multi-hypostatischen Sein der Menschheit. Nach der alten theologischen Tradition der Orthodoxen Kirchen ist die Menschheit ein einziges, aber hypostatisches Wesen, ebenso wie Gott Ein einziges Wesen in Drei Personen ist. Auf solche Weise erfasst man das Ein-Wesen, das im Dogma vom Ein-Wesen in drei Hypostasen ausgedrückt ist. Die Menschheit soll ein Wesen in vielen Hypostasen sein. Das ist die Schöpfungsidee Gottes, der den Menschen als Sein Ebenbild und seine Ähnlichkeit geschaffen hat.[66]

 

Nachwort

Indem ich meine Erforschung der Theologie von Archimandrit Sophrony abschliesse, möchte ein noch einmal hervorheben, dass sein theologisches Denken sehr „neopatristisch“ ist. Diese Besonderheit basiert auf der wesentlichen Schau des lebendigen Gottes und auf dem Erlebnis der persönlichen Anwesenheit Gottes in ihm selbst.

Die ganze Theologie von Starez Sophrony hat einen starken existentiellen und persönlichen Charakter. Nach ihm ist das Wesen Gottes identisch mit dem hypostatischen Ursprung und liegt in den drei Personen. Ausserhalb der Personen existiert das Wesen Gottes nicht. Auf diese Weise ist das Wesen Gottes ganz personal. Aber in einem menschlichen Leben sind die Natur und das Wesen nicht mit dem personalen Ursprung identisch, und manchmal widersprechen ihm einige Äusserungen. Wir sind nur potentiell als Personen geboren. Unser Ziel liegt in der endlichen Vollendung der Einheit der Naturen mit der Person. Sonst ist die Vergöttlichung eines Menschen unmöglich als Erhaltung der Ganzheit unseres Wesens. Das Beispiel von Starez Sophrony liegt in der περιχώρησις υποστάσεων der Dreifaltigkeit, wo jede Hypostase für die anderen immer geöffnet ist. Jede Hypostase lebt und existiert in den anderen durch die kenotische Liebe. Diese innere περιχώρησις der Hypostasen zeigt die Einheit der Dreifaltigkeit in der Dynamik der Liebe, an deren Energien der als „Ebenbild Gottes“ geschaffene Mensch teilhaben kann.[67]

 

Vor seinem Tod machte Starez Sophrony seinen Brüdern und Schwester im Kloster ein Testament: „Mein Testament, das Gebet und meine Bitte lauten, dass ihr alle als ein Mensch eins seid. In der Einheit der Menschheit liegt das Ziel und die Verwirklichung des ‚Ebenbildes Gottes’ des Menschen: ‚Heiliger Vater, erhalte sie in deinem Namen, die du mir gegeben hast, dass sie eins seien wie wir’. (Joh 17, 11). Das ist dieser schwierige ‚schmale Weg’ voll von Leiden (Mt 7, 14). Indem wir Christus folgen, haben wir die Möglichkeit, während unseres ganzen Lebens geistlich anzuwachsen‚ …bis dass wir alle hinkommen zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohnes Gottes und ein vollkommener Mensch werden, der da sei im Maße des vollkommenen Alters Christi’ (Eph 4, 13).

 

Die Rettung liegt in der Annahme der Gabe des Lebens Gottes in seiner ewigen Fülle. Unter ‚Fülle’ meinen wir die hypostatische Form des Seins. Die Fülle stellen wir als die Liebe vor. ‚Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte’. Wenn ich Gott liebe, dann bleibe ich in Ihm. Sein Wesen wird mein. Und wenn ich mit Christus bis zum Ende eins bleibe, dann bleibe ich eins mit der ganzen Menschheit. Das ist eine besondere Art des Verbleibens in Gott und Verbleibens Gottes in uns. Das ist die ewige persönliche hypostatische Ewigkeit“.[68]

 

Bibliographie

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[1]Μπαμπινιώτη. Λεξικό της Νέας Ελληνικής Γλώσσας. Αθήνα. 2002, σ.1501.
[2]Αριστοτέλους, Περί τα ζώα ιστορίαι, 8ρ, 491β, 9.
[3]Πλάτωνος, Τίμαιος 44δ-45β.
[4]Μ. Σιώτη. Η χριστιανική διδασκαλία περί του ανθρώπου ως προσώπου. Σ. 30.
[5]Vgl. Joachim Ritter / Karlfried Gründer (Hg.). Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 7, Basel u.a. 1989, S. 269.
[6]Athanasias Kröger. Mensch und Person. Moderne Personbegriffe in der Katholischen Theologie. Paulus Verlag. 1967, S. 13–14.
[7] Joachim Ritter / Karlfried Gründer . Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bazel. 1989, 7 Band, 275.
[8]Μ. Σιώτη. Η χριστιανική διδασκαλία περί του ανθρώπου ως προσώπου. Σ. 36.
[9]Ι. Ζηζιούλα, Από το προσωπείον εις το πρόσωπον, εκδ. Γουλανδρή – Χόρν, Η ιδιοπροσωπεία του Ν. Ελληνισμού, Αθήνα 1983, σ.300.
[10] Joachim Ritter / Karlfried Gründer. Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bazel, 1989, 7 Band, 277.
[11] Vgl. Joachim Ritter / Karlfried Gründer (Hg.). Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 3, Basel u.a.1989, 1257.
[12]Αρχ. Ιερόθεου Σ. Βλάχου. Το πρόσωπο στην Ορθόδοξη Παράδοση. Αθήνα, 1994, 103.  
[13]Χρ. Γιανναρά. Η ελευθερία του ήθους. Αθήνα, 1979, σ. 33-34.
[14]PG 3, 709.
[15]Αρχ. Ιερόθεου Σ. Βλάχου. Το πρόσωπο στην Ορθόδοξη Παράδοση. Αθήνα, 1994, 106.
[16]Αρχ. Ιερόθεου Σ. Βλάχου. Το πρόσωπο στην Ορθόδοξη Παράδοση. Αθήνα, 1994, 108.
[17]Μητροπολίτης Περγάμου Ιω. Ζιζούλας. Από το προσωπείο εις το πρόσωπον, 300-301.
[18]Αρχ. Ιερόθεου Σ. Βλάχου. Το πρόσωπο στην Ορθόδοξη Παράδοση. Αθήνα, 1994, 85.
[19]Μητροπολίτης Περγάμου Ιω. Ζιζιούλας. Από το προσωπείο εις το πρόσωπον, 300.
[20]Χ. Γιανναράς, Το πρόσωπο και ο έρως, σ. 10.
[21]Athanasias Kröger. Mensch und Person. Moderne Bersonbegriffe in der Katholischen Theologie. 1967, s. 14.
[22]Joachim Ritter / Karlfried Gründer. Historisches Wörterbuch der Philosophie, 1989, Bazel, 7 Band, 284.
[23]Arch. Sophrony. Sein Leben ist mein. Verlag Fluhegg, 2004, S. 15
[24]Арх. Захария (Захару). Христос как путь нашей жизни. Введение в богословие старца Софрония (Сахарова). Москва. 2002, стр. 21.
[25]Арх. Софроний (Сахаров). Рождение в царство непоколебимое. Москва, 2001, стр. 40.
[26]Arch. Sophrony. Sein Leben ist mein. Verlag Fluhegg, 2004, S. 43.
[27]Arch. Sophrony. Sein Leben ist mein. Verlag Fluhegg, 2004, S. 18.
[28]Vgl. Arch. Sophrony. Sein Leben ist mein. Verlag Fluhegg, 2004, S. 22.
[29]Арх. СофронийСахаров. Духовные беседы, том 2, Москва, 2007, стр. 27.
[30]Arch. Sophrony. Sein Leben ist mein. Verlag Fluhegg, 2004, S. 21. 
[31]S. 238 der russischen. Ausgabe, eine deutsche Übersetzung ist noch nicht erhältlich.
[32]Arch. Sophrony. Sein Leben ist mein. Verlag Fluhegg, 2004, S. 41.
[33]Арх. СофронийСахаров. Видеть Бога как Он есть, Свято-Троицкая Сергиева Лавра,2006,стр.224.
[34] Арх. Софроний (Сахаров). Рождение в царство непоколебимое. Москва, 1991, стр. 71.  
[35]Арх. Софроний Сахаров. Видеть Бога как Он есть, Свято-Троицкая Сергиева Лавра,2006,стр.225.
[36]Vgl. Арх. Софроний Сахаров. Видеть Бога как Он есть, Свято-Троицкая Сергиева Лавра,2006,стр.225-226.
[37]Архимандрит Софроний (Сахаров). Рождение в царство непоколебимое. Москва, 1991, стр. 48.
[38] Арх. Софроний Сахаров. Видеть Бога как Он есть, Свято-Троицкая Сергиева Лавра,2006,стр.226. 
[39]  ??
[40]Арх. Софроний Сахаров. Видеть Бога как Он есть, Свято-Троицкая Сергиева Лавра,2006,стр.224-241.
[41]Арх. Софроний Сахаров. Видеть Бога как Он есть, Свято-Троицкая Сергиева Лавра,2006,стр.230.
[42]Arch. Sophrony. Sein Leben ist mein. Verlag Fluhegg, 2004, S. 37.
[43]Арх. СофронийСахаров. Видеть Бога как Он есть, Свято-Троицкая Сергиева Лавра,2006,стр.233.
[44]Arch. Sophrony. Sein Leben ist mein. Verlag Fluhegg, 2004, S. 73.
[45]ΝικολάουΓ. Κοϊου. Θεολογία και εμπειρία κατά τον γέροντα Σωφρόνιο. Άγιον Όρος. 2007, σ. 47.
[46]Νικολάου Γ. Κοϊου. Θεολογία και εμπειρία κατά τον γέροντα Σωφρόνιο. ΆγιονΌρος. 2007, σ. 47.
[47]Arch. Sophrony. Sein Leben ist mein. Verlag Fluhegg, 2004, S. 15
[48]Vgl. Γ. Μαντζαρίδη. Πρόσωπο και Θεσμοί, Θεσσαλονίκη 1997, σ. 29.
[49]Арх. Софроний Сахаров. Видеть Бога как Он есть, Свято-Троицкая Сергиева Лавра,2006,стр.227.
[50]Арх. Софроний Сахаров. Видеть Бога как Он есть, Свято-Троицкая Сергиева Лавра,2006,стр.239.
[51]Γ. Μαντζαρίδη. Πρόσωπο και Θεσμοί, Θεσσαλονίκη 1997, σ. 29.
[52]Arch. Sophrony. Sein Leben ist mein. Verlag Fluhegg, 2004, S. 59. 
[53]Арх. СофронийСахаров. Видеть Бога как Он есть, Свято-Троицкая Сергиева Лавра,2006,стр.241.
[54]Arch. Sophrony. Sein Leben ist mein. Verlag Fluhegg, 2004, S. 37.
[55]Арх. СофронийСахаров. Видеть Бога как Он есть, Свято-Троицкая Сергиева Лавра,2006,стр.230.
[56] Арх. Софроний Сахаров. Духовные беседы, том 2, Москва, 2007, стр. 144-147.
[57]Арх. Софроний Сахаров. Видеть Бога как Он есть, Свято-Троицкая Сергиева Лавра,2006,стр.22.
[58]??
[59]Arch. Sophrony. Sein Leben ist mein. Verlag Fluhegg, 2004, S. 77.
[60]Arch. Sophrony. Sein Leben ist mein. Verlag Fluhegg, 2004, S. 63.
[61]Vgl. Арх. Захария (Захару). Христос как путь нашей жизни. Введение в богословие старца Софрония (Сахарова). Москва. 2002, стр. 326.
[62] Арх. Софроний Сахаров. Духовные беседы, том 2, Москва, 2007, стр. 32.
[63]Arch. Sophrony. Sein Leben ist mein. Verlag Fluhegg, 2004, S. 64.
[64] Vgl. Арх. Захария (Захару). Христос как путь нашей жизни. Введение в богословие старца Софрония (Сахарова). Москва. 2002, стр. 331.
[65]Арх. Софроний. Старец Силуан Афонский. Сретенский монастырь. 1999, стр. 56.
[66]Vgl. Арх. Софроний (Сахаров). Рождение в царство непоколебимое. Москва, 2001, стр. 97.
[67][67]Vgl. - Священник Георгий Завершинский. Богословский экзистенциализм архимандрита Софрония (Сахарова) // Альманах "Альфа и Омега". -1999. -N 3 (21). -С. 167-180. 
[68] Арх. Софроний (Сахаров). Рождение в царство непоколебимое. Москва, 2001, стр. 191.
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