Die zehn Aussätzigen (Lk. 17,12-19)
„Wir alle glauben an alles äußere, an die Liebe jedoch glauben wir nicht, nicht an die menschliche, nicht an die Liebe Gottes. Deshalb zerschellt das, was uns als Glauben erscheint, wenn wir uns Gott vor die Füße werfen ... an einem noch tiefer sitzenden Mißtrauen. Und dieses Misstrauen lässt uns nicht von ferne stehen, wie die Aussätzigen, und gibt uns nicht das sichere Gefühl, dass die Liebe Gottes auch für uns noch reicht". - aus einer Predigt zur Heilung der zehn Aussätzigen von Metropolit Antonij von Sourozh
Статья

15. Dezember 1968

Ich möchte euch auf drei Momente der heutigen Evangeliumslesung aufmerksam machen. Erstens darauf, wie die Aussätzigen an Christus herangetreten sind. Sie standen, wie es im Evangelium heisst, von ferne. Sie wussten, dass sie unrein waren und das jegliche Berührung mit ihnen eine Gefahr bedeutete. Deshalb wagten sie kaum, nicht einmal um ihrer Heilung willen, andere mit einer möglichen Befleckung oder Ansteckung zu gefährden.

Beim Beten machen wir uns sehr selten bewusst, in welchem geistigen Zustand wir sind. Dies jedoch würde auch uns zu der Einsicht führen, dass es auch für uns angemessener wäre, uns in einem bestimmten Abstand zum Herrn zu halten. Wir wissen, dass es für alles Unreine im Himmelreich keinen Platz gibt. Trotzdem, sobald wir in Not geraten, sobald uns die Schwermut überkommt und wir begreifen, wie sehr und wie unaufschiebbar wir die Nähe Gottes brauchen, wagen wir es, sofort an Ihn heranzutreten und sind uns dabei sehr sicher, dass wir ein Recht dazu haben, von Ihm angenommen zu werden, dass wir ein Recht dazu haben, vor Gott zu treten und vorgelassen zu werden vor allen anderen, weil wir etwas benötigen. In der Tat beweist dies nur, wie wenig klar uns ist, wie unheimlich es ist, wenn man sich einer vollkommenen Reinheit nähert und dabei selbst ganz befleckt ist. Mit welch einer Ehrfurcht, ja eher sogar Furcht sollten wir uns Gott nähern. Wie oft kommt der Herr selbst uns entgegen. Wir sollten Ihm des öfteren, so wie es der Apostel Petrus tat, sagen: Komm nicht näher, Herr! Ich bin ein unreiner Mensch ... Lasst uns jeder darüber nachdenken!

Zweitens konnten die Aussätzigen nicht nur deshalb an Christus herantreten, weil sie an Ihn glaubten, an Seine Stärke und Macht, sondern auch weil sie an Seine Liebe glaubten. Sie glaubten, daran, dass Er ihnen helfen möchte und das nur Er ihnen zu helfen vermag. Diese Frage steht vor jedem von uns, wenn wir uns aufmachen und beten wollen. Glauben wir wirklich und allen Ernstes, dass Gott nur das Beste für uns will? Glauben wir an die Liebe Gottes oder aber treten wir an Ihn heran, wohl wissend, dass Er alles vermag, und denken dabei: Vielleicht will Er dies nicht? Darin drückt sich unser tiefes Mißtrauen Ihm gegenüber aus. Wir alle glauben an alles äußere, an die Liebe jedoch glauben wir nicht, nicht an die menschliche, nicht an die Liebe Gottes. Deshalb zerschellt das, was uns als Glauben erscheint, wenn wir uns Gott vor die Füße werfen und dabei andere gelegentlich zur Seite stoßen in der Hoffnung , dass wir es sind, die Er erhören wird, die Ihn berühren werden, an einem noch tiefer sitzenden Mißtrauen. Und dieses Misstrauen lässt uns nicht von ferne stehen und gibt uns nicht das sichere Gefühl, dass die Liebe Gottes auch für uns noch reicht.

Das dritte ist die Dankbarkeit. Zehn Aussätzige sind rein geworden, nur ein einziger jedoch kehrte zu Christus zurück, um Gott zu danken. Die neun anderen, die rein geworden waren, verschwanden in der Masse der Menschen, zu Christus jedoch kehrten sie nicht wieder zurück. Es kam nur einer und dieser war noch dazu ein Samariter, dass heisst ein Fremder, einer von aussen, sogar unter religiösem Gesichtspunkt, denn er und Gott, er und Christus hatten nichts gemein. Er wusste, dass er seinem Zustand nach ein Aussätziger war, dass er wegen der Andersartigkeit seines Glaubens in Bezug auf den, den Christus selbst vertrat, auf nichts hoffen konnte. Gerade aber deshalb kehrte er, nachdem er gesund geworden war, zu Christus zurück. Keinerlei Rechte, keinerlei gesellschaftliche Stellung verbanden ihn mit Christus. Sie hielten ihn jedoch auch gleichzeitig nicht von Ihm fern. Christus unterstreicht ausdrücklich, dass dieser Samariter sich richtig verhalten hatte.

Es ist wirklich so, sehr oft denken wir, dass die Frucht des Gebetes darin besteht, das Erbetene zu erhalten. Dabei ist es anders. Das Erbetene, das, was wir erhalten, brauchen wir nur in dem Moment, wenn wir es empfangen. Bereits in einer Stunde hat sich unsere Not erschöpft und wir benötigen etwas anderes. Auf dem Fundament, das Gott durch Seine Barmherzigkeit gelegt hat, könnten wir jedoch etwas ganz anderes bauen. Der Erhalt des Erbetenen ist nur etwas für den Augenblick. Das Einzigste, jedoch, was bleibt, und was das Verhältnis zwischen uns und Gott, Der immer barmherzig zu uns ist, oder zwischen uns und den Menschen, die uns gut gesinnt sind, ausmacht, das Einzigste, was etwas vollkommenes, was eine ewige und beständige Verbindung darstellt, ist die Dankbarkeit. Wenn jemand uns etwas Gutes tut oder uns mit Barmherzigkeit oder Liebe entgegenkommt und wenn dies in uns einfach nur Dankbarkeit erweckt, dann besteht zwischen diesem Menschen und uns eine für immer währende Verbindung. Dies ist die kostbarste Frucht des Gebets, dass zwischen Dem, der gibt und dem der empfängt ein in Ewigkeit bleibendes Band der Liebe, der Dankbarkeit und der gemeinsamen Freude geknüpft ist.

Lasst uns deshalb aus all dem, was diese kurze Evangeliumsperikope für uns bereit hält, lernen, denn alles, was sie in sich verborgen hält, ist sehr wesentlich für unser geistiges Leben.

Amen        

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